unserer Gemeinde in den letzten 10 Jahren nach ihrer politischen, kulturellen und religiösen Einstellung zu werfen und die wichtigeren Geschehnisse der letzten 10 Jahre festzuhalten. Die Aufgaben der Gemeinde, ihre Verwaltung und die Rechte und Pflichten ihrer Beamten und Angestellten, wie die ihrer Mitglieder, und die Bestimmungen für den Haushalt der Gemeinde und ihre Steuern usw. sind in dem von der Statthalterei in Prag vom Jahr« 1912 genehmigten Statut festgelegt. Die jüdische Gemeinde Teplitz-Schönau, heute die zweitgrößte Gemeinde Böhmens, ist der Sitz des Präsidenten des Verbandes jüdischer Gemeinden mit deutscher Verwaltungssprache in Böhmen. Der derzeitige Vorsitzende dieses Verbandes, Kultusgemeindepräsident Dr. Cantor, ist als solcher Mitglied des „Obersten Rates". Die Beamtenschaft bilden^ derzeit Rabbiner Dr. Friedrich. Weihs 54), Oberkantor Deszö Rothstein, Kantor Siegfried Kulka, Religionslehrer Wilhelm Dux und Samuel Friedl und die Sekretäre Leo Schornstein, Platschek, der seit 1932 das Sekretariat inne hat und Hilfsbeamtin Friedl Vog-el, Bernhard Löwy, Kustos der Beerdigungsbrüderschaft; die Stellen des ersten und zweiten Tempelkustos sind nach Abgang Gustav Jellineks (1929) und dem Tod Adolf Schneiders (1930) mit Ignatz Fettmann besetzt worden Als Schächter fungiert an Stelle de« gemeindeamtlich bestellten Kantors Kulka mit Genehmigung" des Vorstandes der vom Vereine Bene Emunah aufgenommene orthodoxe Moses Hirschorn. Zur Gemeinde gehören derzeit aus dem Gerichtsbezirke Teplitz ein Teil der Stadt Turn, rechts, vom Flößbache und die Ortsgemeinden Boreslau, Hertine. Kladrob, Klein-Aujezd, Schallan, Settenz, Hundorf, Teplitz-Schönau und Wisterschan, und aus dem Gerichtsbezirke Dux die Ortschaften Dux, Ladowitz, Liquitz, Loosch, Maria-Ratschitz, Soberzsan, Janegg und Ullersdorf. Die Gemeinde zählt jetzt über 1200 Steuerzahler mit mehr als 5000 Seelen. Der Vorstand setzt sich zusammen aus dem Kultusrat (12 Mitgliedern) und 24 Mitgliedern des Ausschusses. Kultuspräsident: Dr. Ernst Cantor, Stellvertreter: Gewerberat Ernst Bechert, Tempelvorsteher: Carl Freund, Dr. Emanuel Sachs und Dr. Paul Kohn und deren Stellvertreter. Die Ausgaben im J. 1931 betrugen Kč 376.430"— Präliminar für das Jahr 1932 . Gehalte...... Pensionen...... Chor....... Erhaltung des Tempels Israel. Schule (Beitrag) Armenpflege: für Pfründner Wanderbettel..... Gesamtbetrag f. Armenpflege (ohne Wanderfürsorge) .....Kč 90.000'— Die soziale. Hilfstätigkeit in diesem Jahrzehnt ist wie seit jeher eine bedeutende. Große Summen aus jüdischen Händen fließen allgemeinen Hifsvereinen zu, der deutschen Jugendfürsorge, der städtischen Armenkassa, kaufm. Witwen- und Waisenfonds, aber auch den jüdischen Armen und Kranken und Hilfs-kassen strömen ununterbrochen bedeutende Beträge zu. Im vergangenen Jahre ist diese Hilfstätigkeit, die immer wieder trotz aller Zentralisierungsversuche, wie mit Naturgewalt auch ihre eigenen Wege sucht, wieder einmal straffer geeinigt worden. Jeplit* 2T Kč 393.090-— Kč 156.930-— Kč 38.100'— Kč 25.100-— Kč 5.000-— Kč 10.000--- Kč 70.732-— Kč 4.630--- Es ist selbstverständlich, daß die Gemeinde der Zentralfürsorge, deren Sitz in Prag ist, als Mitglied angehört. * Das religiöse Leben in unserer Gemeinde bietet das Bild, wie es uns in Böhmen überall begegnet. Von den Gruppen gesetzestreuer Ostjuden abgesehen, welche, wie wir oben ausgeführt, in ihren beiden Andachtstätten und im Familienkreise ihr religiöses Eigenleben führen, steht die Gemeinde auf liberal-religiösem Boden. Seit einem Jahrhundert wandelt sie diese Wege. In der Synagoge finden wir auch heute noch einen gemäßigt fortschrittlichen Gottesdienst, mit gelegentlichen deutschen Gebeten, deutschen Predigten, die von einer lebhaft interessierten meist sehr zahlreichen Zuhörerschaft mit Aufmerksamkeit verfolgt werden, mit gepflegtem Chorgesang, der sich mit dem Vortrage des Vorbeters zu einer harmonischen Klangeinheit formt. Die täglichen Gottesdienste am Morgen und Spätnachmittag, die Freitagabendr, Sabbath- und Festtagsandachten, besonders die an den hohen Feiertagen, vereinen auch heute noch den größeren Teil der Juden im Gotteshause. Die rituellen Formen und Gesetze des Judentums finden, zumal seit Kriegende, weniger Bewertung und Beobachtung, das Kaschruth wird außer in ostjüdischen Kreisen nur noch in wenigen Familien beobachtet. Manche alte, ehedem religiöse Teplitzer Judenfamilie ist in Stamm und Zweigen seit Jahrzehnten der Väterreligion entfremdet, einige dieser alten ehemaligen Säulen der Teplitzer Judenschaft sind in Trümmer gegangen. Konfessionslosigkeitserklärungen finden in den letzten Jahrzehnten, wie überall, auch in Teplitz häufiger statt — sie haben in den letzten Jahren sich erfreulich vermindert. Mischehen und standesamtliche Eheschließungen haben zugenommen B5). Die Einäscherung von Leichen wird häufiger. Bei all dem scheint das religiöse Leben in unserer großen Gemeinde einen gewissen stetigen Verlauf zu nehmen und immer gewinnen Einheimische, wie Auswärtige den Eindruck, daß unsere Gemeinde, wie alt sie auch ist, auch in der Gegenwart festgefügt und von starken Lebenskräften getragen, geistig hochstehend und entwicklungsfähig ist; dank der gewissenhaften, zielbewußten und oft selbstlosen Arbeit von Vorstand und Beamtenschaft und nicht zuletzt dank der allen Teplitzer Juden innewohnenden Liebe zu ihrer Gemeinde darf sie hoffen, aus der schwierigen Vergangenheit trotz der gefahrvollen Strömungen der Gegenwart in eine schöne Zukunft zu schreiten. Die jüdische Vergangenheit und ihr Schaffen dem lebenden Geschlechte nahe zu bringen, maßvollen Forderungen der Gemeinde jeweils gerecht zu werden, das alte religiöse und geistige Gut zu erhalten und zu fördern, — das war seit jeher Inhalt und Ziel jüdischen Gemeindelebens. Und darin liegt der tiefste Sinn jüdischen Seins: „Gott ehren, seine Lehre fördern, den Menschen Liebes und Gutes erweisen, und dem Frieden dienen.'* Das wird auch fernerhin die vornehmste Aufgabe unserer altehrwürdigen Judengemeinde in Teplitz bleiben. Dem Andenken der dem Weltkriege 1914-1918 zum Opfer gefallenen jüdischen Soldaten. Richard Ábeles Josef Lauber Arnold Bondy Fritz Leckner Alfred Brandeis Albert Lederer Philipp Brenner JUDr. Emil Lederer Theodor Dux Erich Lederer Erwin Eckstein Hans Lederer Heinrich Ehrlich MÜDr. Richard Lederer Leopold Federer Fritz Lichtenstern Josef Fischer Artur Löbl Max Fischl Karl Löbl Gottlieb Freund Fritz Löwy Viktor Freund Alfred Mandelik Willy Freund Bruno Menzel Karl Fuchs Sigmund Monschein Alfred Gärtner Rudolf Pick Wilhelm Grimm Ernst Pollak Louis Hackl Hugo Pollak Karl Hahn Josef Pollak MUDr. Hans Heller ■ Wilhelm Riemer Franz Josef Heller Friiz Rothschild Paul Heller Georg Rothschild Leo Hoitasch Josef Salus Otto Ilchmann Karl Salus Max Klauber Leopold Salus Sigmund Klauber Oskar Seidemann Ignaz Kleiner Ernst Schiller Robert Klemperer Josef Spiegel Adolf Kohn Ernst Stein Emil Kohn Karl Steiner Richard Kohn Artur Stern Sigmund Kohn Alfred Wantoch JUDr. Harry Lang *) Dr. Paul Wanie, Geschichte der Juden von Teplitz, Kaaden 1925. Verlag Vinzenz Uhl. "') Wanie (und iu diesem Werke von demselben.) 3) Vgl. Wanie, a. a. O., S. 8 u. f. 4) Rosenzweig, Gedenkbuch. 5) Vgl. Wanie, a. a. O., S. 8 u. f. °) Siehe Wanie, a. a. O., S. 17 u. f ') Vgl. Rosenzweig, „Gedenkbuch". ö) Über die Friedhöfe, a. a. St. °) Wanie, S. 12. lu) Vgl. näheres bei Rosenzweig, a. a. 0. ) Der Grabstein ist abgebrochen und die Inschrift schwer leserlich. '-) Wanie, a. a. O., S. 33. l") In meinem Besitze befindet sich ein Handschreiben Herz Emdens, in dem er einem Reb Moses, Sohn des verst. David (Falkenau in Eidlitz den Chawer Titel (Ehrentitel) verleiht. Ausgestellt in Eidlitz im J. ,TI2f Pl 528 = 1768. ") Aus „Leipa". Im selben Jahr 1800 D'Dri findet sich im Sterbeverzeichnis die Notiz „der Vorbeter 'und Schächter der Gemeinde Manasse — der Simchas-Tora starb. la) Im Sterbeverzeichnisse findet sich weder 1796 noch 1800 eine diesbezügliche Eintragung. 16) a. a. 0. 17) Nach Rosenzweig, Gedenkbuch. 1S) Über beide a. a. St.' . 10) Ebendaselbst, S. 13. 20) Wanie, a. a. 0.,'S. 8. 2L) Ebendaselbst, S. 28. 22) Vgl. darüber Bericht des Teplitzer Museums, Abt.: „Heimatkunde", v. 15. Jänner 1922 — über Skelettfunde beim Bau des Theater-Saales : „Schon beim Baue des abgebrannten Theaters wurden Skelette gefunden, im Grunde jenes Teiles, der als Verbindungsweg von der Königstraße zu den Theatergarderoben führte. Alle Leichen von West nach Ost schräg gegen die Königstraße." 23) Siehe Wanie, a. a. 0., S. 17 und 18. -"4) Vgl. die einleitenden Bemerkungen über die „Verbesserung" an vielen Grabsteinen und die Notiz weiter unten. "5) Auch im Sterbeverzeichnisse angeführt: beerdigt neben R. Eisig Kolisch Liebna. **) Diese führt Rosenzweig an: Es war mir bisher nicht möglich alle Genannten aus den vorhandenen Quellen zu belegen. 27) Lippmauu-Samel: „Eine Teplitzer Judengeschichte," eine Novelle, die noch heute viel gelesen,, Dichtung und Wahrheit aus der alten Judengasse mengt. Ihr Wert liegt in der guten Schilderung des Milieus vergangenen jüd. Lebens in Teplitz. 28) Siehe Wanie, a. a. O., S. 8. 20) Siehe Wanie, a. a. O., S. 37. 30)- Wanie, a. a. O., S. 51. 3*) Wanie, a. a. O., S. 51. 32) Siehe oben. 33) Wanie, a. a. O., S. 52. 34) Vergleiche den Aufsatz über das Badehospital u. Geil. San. Rat Dr. J. Hirsch s. A. von Gottlieb König in der jüdischen Jugendzeitschrift Jung Juda, Jahrgang 10, 1918. >5) Rosenzweig, Gedenkbuch. 36) Vgl. Rosenzweig, Gedenkbuch, S. 37 u. f. 37) Der Akt befindet sich bei den Akten des Teplitzei Rabbinates. 38) Herr Ludwig Kettner in Karlsbad, ein treuer Sohn seiner Teplitzer Heimatstadt, hat auf meine Anregung „Erinnerungen" geschrieben und sie mir freundl. überlassen, in welchen er eine Fülle von Personen aus Teplitzer jüdischen Kreisen der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts in anregendster, oft humorvoller Weise darstellt und mancherlei Geschehnisse und Erlebnisse aus der Teplitzer Judengasse mit Geist und Liebe zu schildern versteht. Es ist leider nur möglich, einiges diesen lesenswerten Erinnerungen zu entnehmen. Die Datstellung in diesem Abschnitt dieser Arbeit stützt sich auf seine Ausführungen, die vielleicht später einmal in voller Ausführlichkeit dem Drucke übergeben werden können. Ich schulde Herrn Kettner für seine freundliche Mühewaltung Dank. "") In jüngster Zeit zeitigte diese Zentralisierung gute Erfolge und harrt des weiteren Ausbaues. 40) 1903 suchten die Juden von Karbitz um Aufnahme in. die Gemeinde an. Die Verhandlungen führen zu keinem Resultate. 41) Die damals sich einführenden Feuerbestattungen nötigten die Beerdigungsbrüderschaft ihre Aufmerksamkeit dieser Tatsache zuzuwenden und Bestimmungen zu treffen. 42) Im J. 1929 konnten Vorstand, Korporationen, Rabbiual und Gemeinde ihm zu seinem 75. Geburtstage ihren Dank und ihre Glückwünsche bekunden. 43) Herr M. H. Unger hat zu dieser Darstellung dankenswerter Weise seine Aufzeichnungen zur Verfügung gestellt. Über die Tempeleinweihung berichtet der Teplitz-Schönauer Anzeiger vom 5. September 1927. 44) Auch im Druck erschienen. 45) Sein Leben und Wirken und die von ihm im Druck erschienenen Reden und Aufsätze sind von seinem Sohne Dr. Viktor Kurrein, Rabbiner in Linz, im Hickls jüdischen Volkskalender f. d. J. 5690 (1929/30) gewürdigt. Prof. Kurrein war auch der Gründer der Gemeindebibliothek, die vor allem der Jugend dienen soll. „ 40) Vgl. oben, S. 26. 4?) Vgl. oben, S., des öfteren. w) Ich danke der Leitung der israelit. Volksschule für die mir gewährte Einsichtnahme in die Akten. 4I)) Gestorben 9. April 1927. ■'•") Siehe oben, S. 50. 5l) Siehe über die Tätigkeit Adolf Karpeles, oben S. 58. "'') Es soll der Vergessenheit die Tatsache entrissen werden, daß in Teplitz in den achtziger Jahren ein Gesangverein „Harmonie" bestand, dessen Vermögen laut Weisung der Bezirkshauptmannschaft nach seiner Auflösung 1884 dem israelit. Lokal-Armeninstitut zufiel. ..... cn