weihevollen Räume des Tempels einer religiösen Musikaufführung, die der iTempelverein veranstaltete, um wenigstens teilweise seine großen Ausgaben zu decken, widmete jedoch einen Teil der Einnahmen dem jüdischen Hospital. Nun treten wir mit dem Beginn unseres Jahrhunderts in die letzte Phase der bisherigen Gemeindeentwicklung ein. Die neueste Zeit (1900-1932). Aus den Neuwahlen des Jahres 1902 ging an Stelle des bisherigen Vorstehers Ed. Rindskopf der Fabrikant Ernst Steinwald als Kultusvorsteher hervor, Dr. Siegmund Hahn wurde sein Stellvertreter und Julius Hahn, Simon Taussig und Marcus Lederer waren die Tempelvorsteher. Für den Religionsunterricht in Dux, wo nunmehr I. Rindskopf als Religionslehrer fungiert, wird Dr. L. Bäcker -und nach seinem kurz darauf erfolgten Tode Dr. Fischer als Ortsschulrat nominiert. Gemeinde-Sekretär war der rührige Berthold Hor-witz bis 1913. Der wohltätige Sinn der Gemeinde wurde noch im selben Jahre durch eine von der Wiener israelit. Allianz angeregte Sammlung in Anspruch genommen, von der 8000 K für die notleidenden russischen Juden und 200 K anläßlich einer Judenverfolgung in Rumänien Verwendung fanden. Auch die Abbrändler in der benachbarten Bergstadt Graupen wurden unterstützt40). Die Gemeinde konnte anläßlich des 25 jährigen Dienstjubiläums den Tempeldiener Dasch und bald darauf den Diener Hermann mit einer wohlverdienten Ehrung erfreuen. Der rührige Tempelverein denkt daran, den notwendigen Bau eines Gemeindehauses in die Wege zu leiten, aber dieser wohlgemeinte Plan wird definitiv zurückgestellt und ist tatsächlich bis zum heutigen Tasre unausgeführt geblieben. Die Zeremonienhalle auf dem Friedhofe wird durch eine schlichte Decken- und Wandmalerei mit dem Orte entsprechenden Bibelsprüchen zu einer würdigeren Stätte ausgestattet und Ludwig Adler von der Chewra zum Friedhofsverwalter bestellt 41). Die rührige Arbeit unserer Gemeindekorporationen wird aber auch durch mehrere betrübliche Vorkommnisse gestört. Eine Differenz zwischen Rabbiner Dr. Kurrein und dem Vorstand wegen des Widerstandes des Rabbiners gegen den Religionsunterricht am Sabbath führt zu einer zeitweisen Resignation des Kultusvorstehers Steinwald, der Armenarzt Dr. Löwy tritt zurück, für den Dr. Oskar Ábeles dieses Amt übernimmt, Eduard Rindskopf stirbt und der Tod des Duxer Religionslehrers Israel Rindskopf nötigt die Gemeinde Ersatz zu schaffen, der in Moritz Mandl gefunden wird. Fräulein Neumann veranlaßt durch ihre Kündigung die Neubesetzung der Lehrerstelle an der isr. Volksschule in Teplitz mit Fräulein Irma Klein, die derzeit als Schulleiterin und Lehrerin an der Anstalt noch tätig ist. Nach wie vor versucht der Stadtrat die Last, die ihm diese Schule aufbürdet, abzuschütteln und richtet nun wieder ein Ansuchen um Aufhebung dieser Privatschule an den Vorstand (a. a. 0.). Aber weit mehr wird die Gemeinde beunruhigt durch die jungjüdische Bewegung des Zionismus, die nun auch in Teplitz Fuß faßt. Eine Broschüre des Dr. Emil Margulies gibt den jüdischen Mitgliedern der deutschen Fortschritts- partei in Teplitz Anlaß, in der Vorstandssitzung auf die Unliebsamkeit derartiger Veröffentlichungen hinzuweisen. Aber die Versicherung" eines zionistischen Vorstandsmitgliedes, „daß es keinem Mitgliede des Zionsvereines einfalle, gegen die Fortschrittspartei Stellung zu nehmen und daß alle nach wie vor" — so heißt es im Protokolle — „als Deutsche fühlen", läßt vorderhand die Ruhe wieder eintreten. Immerhin hält „Zion." die Gemüter in Bewegung. Durch Monate entspinnt sich ein mitunter sehr heftiger Kampf um die Bewilligung von Toraspenden beim Gottesdienste für zionistische Zwecke. Scharf und heftig prallen die gegnerischen Stimmen der Zionsfreunde, unter denen Ernst Bechert der Rufer im Streite ist, und der deutschliberalen Zionsgegner aufeinander. Dieser Widerstreit der Meinungen dauert durch Jahre. Wenn auch derzeit, Dank der klugen Nachgiebigkeit, von beiden Lagern und nicht zuletzt infolge der konzillianten Führung seitens des Vorsitzenden der Gemeinde, des Präsidenten Dr. Ernst Cantor. beide Parteien seit langem den Frieden wahren, so ist doch „weder die Eroberung der Gemeinde" noch die Abwehr der Liberalen gegen den zionistischen Gedanken ganz aufgegeben worden. Das Verständnis für den Aufbau Palästinas ist auch in Teplitz in weitere Kreise gedrungen und zionistischerseits hat man mit der Zeit auf anders eingestellte Kreise unserer Gemeinde resignieren gelernt. Die Stellung des Rabbiners inmitten der beiden Lager war freilich seitdem gewiß nicht angenehmer und mancherlei Gegnerschaft aus politischer Stellungnahme erwuchsen dem geistlichen Führer und gestaltete ihm das Amt nicht leichter. Bei der Neuwahl des Vorstandes im Jahre 1906 wurden Dr. Stein I. Vorsteher und Emil Rindskopf II. Vorsteher; Dr. Karl Kraus, Simon Taussig und Moritz Langer Tempelvorsteher. Nach dem Tode Langers übernimmt für kurze Zeit Adolf Laufer, nach dessen Resignation Adolf Karpeles diese Ehrenfunktion, der seit dem Jahre 1924 gewissenhaft dieses Amt des Tempelvorstehers bis zum Jahre 1930 versah und gleicherweise seit vielen Jahren die Ehrenfunktion in der Beerdigungsbrüderschaft in würdiger Weise aus-übte42). Adolf Karpeles, der bis zu seinem vollendeten 75. Lebensjahr vorbildlich in der Gemeinde gewirkt, wurde wegen seiner Verdienste zum Ehrenvorsteher, ferner zum Ehrenobmann der heil. Brüderschaft und zum Ehrenmitglied des fempelvereines ernannt und Karl Freund an seine Stelle gewählt. Neben ihm wirken Dr. Emanuel Sachs und Dr. Paul Kohn in Dux. Der Verein „Bene Emunah". Unsere Gemeinde ist im Verlaufe der letzten Jahrzehnte auch der Sitz einer Gemeinde von Ostjuden geworden, deren ältere Generation die streng religiöse Richtung treu bewahrt. Schon in den vierziger Jahren hatte Seligman Ungerleider hier seinen Wohnsitz genommen, der als erster nach dem Jahre 1848 aus dem Ghetto in die Stadt gezogen war. Zu ihm kam als junger Mann Heinrich Ungerleider aus Michalovce der hier im Kreise der streng religiösen Juden, die sich im Laufe der Jahre hier ansiedelten, eine führende Stellung erlangte und auch in der Gemeinde durch seine vielseitige Tätigkeit besonders im Verein zur Erhaltung der Friedhöfe sich große Verdienste erworben hat. —■ Etwa im Jahre 1907 hatte sich eine Anzahl Familien strenggläubiger Gesinnung hier angesiedelt und bald wurde von Heinrich Ungerleider, Elias Semmel, Chajim Kalb, M. H. Unger u. a. ein Privatgottes- leplitz 19 664 dienst in der Eichwalderstraße eingerichtet, der später vom Gemeindevorstand als ein Hausgottesdienst anerkannt wurde. Aus der ehemaligen Gemeinde Seltsch bei Saaz, aus Prag und aus Dünaburg in Rußland stammen die Torarollen und die Opferfreudigkeit der wachsenden religiösen Vereinigung gestattete die Betstätte geziemend aus. Während des Krieges wuchs die Anzahl der Besucher dieser Gottesdienste und als ein Teil der Flüchtlinge sich in Teplitz ansässig machte, ergaben sich räumliche Schwierigkeiten, so daß unter der Führung von Heinrich Ungerleider, M. H. Unger und Chajim Kalb u. a. ein neuer religiöser Verein „Bene Emunah" ins Leben gerufen wurde, welcher die Aufgabe auf sich nahm, eine zweite würdige Andachtsstätte zu finden. Im Vorstande dieses Vereines wirkt seit seinem Bestände besonders Rechtsanwalt Dr. Bruno Ungerleider, der Sohn Heinrich Ungerleiders in selbstloser Weise. Den Bemühungen der genannten gelang es unter Opfern den verfallenen „alten Tempel'' in der Badegasse von der Kultusgemeinde zu übernehmen, zu renovieren und aus der Ruine eine sehenswerte Andachtstätte zu schaffen, welche beim Freitag-Abend-Gottesdienste am 28. August 1925 feierlich eingeweiht wurd,e. Der Kultuspräsident Dr. Cantor sprach im Namen der Gemeinde, Unger als Obmann des Vereines Bene Emunah, der Gemeinderabbiner Dr. Weihs hielt die Weiherede und Chajim Kalb sang die Liturgie. So ist, wie wir bereits früher erwähnt haben, der alte Tempel, dieser Zeuge jüdischen Lebens vergangener Jahrhunderte, wieder zu einer Stätte des Gebetes geworden 4S). Auch das Privatbethaus im Hause Pesach Weingartens in der Eichwalderstraße hat viele treue Freunde sich zu wahren und sie zu mehren gewußt. Die Anzahl der strenggläubigen Juden in Teplitz, welche im Rahmen der Großgemeinde nunmehr ihr religiöses Eigenleben führen, ist inzwischen bedeutend gewachsen und wird heute auf etwa 700 geschätzt. Sie bilden einen bedeutsamen und regsamen Teil unseres jüdischen Lebens und haben in jüngster Zeit eine Talmudtora eingerichtet. Als Lehrer wirkt an derselben eifrig H. Maulkorb (bis 1932). Das rituelle Frauenbad war von ihnen schon im Jahre 1923 neu hergestellt unter Anwesenheit des Prager Oberrabbiners Dr. H. Brody als Gast und des Ortsrabbiners. Die strenggläubigen Vereine dürfen dank ihrer zielbewußten und' opferwilligen Arbeit, wenn die wenig religiöse Gesinnung weiter Kreise der jüdischen Jugend nicht auch die ostjüdische Jugend erfaßt, auf eine günstige Weiterentwicklung in unserer Stadt hoffen. * In den jüdischen Gemeinden Österreichs machte sich in diesen Jahren ein lebhaftes Streben nach dem Ausbau der Gemeindeverfassungen und der Stärkung des jüdischen Gemeindesinnes geltend. Ein Gemeinde-bund sollte als Organ aller jüdischen Gemeinden Österreichs mit einem „Obersten Judenrat" in Wien als Beirat im Ministerium für Kultus und Unterricht gebildet werden, und Verbandsgruppen einen Beirat für jüdische Angelegenheiten am Sitze der Landesregierung stellen. Am 27. April 1908 waren Dr. Carl Kraus vom Verein freisinniger Juden in Teplitz und Nathan Bloch zur Tagung dieses österreichischen isr. Bundes als Vertreter der Kultusgemeinde entsendet worden mit der ausdrücklichen Weisung zu einer strikten antizionistischen Stellungnahme. Die Gemüter waren beunruhigte Der Landtagsabge-crdnete Prof. Eduard Reichel hatte im Hausbesitzerverein eine Aufsehen erregende Rede gehalten, die Kultusvertretung sich, gegen die Angriffe Reicheis durch eine Protestresolution verwahrt; im Schöße der Gemeinde scheinen ebenfalls unliebsame Vorgänge sich abgespielt zu haben, denn Kompetenzfragen zwischen Rat und Vertretung führten zu einer Statutenänderung bezüglich der Geschäftsordnung; eine neun-gliedrige Kommission beriet über die Pflichten des Rabbinates, eine Disziplinarordnung wurde geschaffen, die Regelung der Ansprachen bei Beerdigungen seitens Nichtbeamteter wurde beraten. Dir. Perutz legte die Stelle des Direktors am Hospital nieder. Die Koscherfleischerversorgung, ein stets wenig artiges Sorgenkind der Gemeindeverwaltung, führte zu scharfen Mahnschreiben an die jüdischen Fleischhauer, der Antrag Ernst Becherts, die Kultusgemeinde statt israelitisch „jüdisch" zu benennen, die Ablehnung der beabsichtigten Ausstellung der palästinischen Bezalel-Schule und die Resultatlosigkeit des von Dr. Gustav Weiß in Dux angeregten und ins Leben gerufenen Tempelbauvereines in Dux — es ist bis heute noch kein Tempel errichtet — und schließlich die andauernde Beunruhigung durch die junge nationale Bewegung gaben in diesen Jahren immer wieder Anlaß zu heftigen Debatten und schufen eine Atmosphäre der Erregtheit. Das einzige Erfreuliche dieser Jahre war die anläßlich des 60 jährigen Regierungsjubiläums des Kaisers begründete Studentenstiftung mit einem Kapital von 5000 K und der 1912 erfolgte Beitritt der Gemeinde zum Zentralverein für jüdische Wanderfürsorge mit einer Subvention von 1200 K. Inzwischen war das erste Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts beendet. Lehrer Simon, der schon im Jahre 1906 krankheitshalber vom Lehrer Adolf Kahn zeitweise an der jüdischen Volksschule vertreten worden war und im Feber 1911 sein 25 jähriges Lehrerjubiläum feiern durfte, trat nunmehr nach 46 jähriger Dienstzeit in den wohlverdienten Ruhestand, der ihm bis zu seinem am 10. Oktober 1920 erfolgten Tode vergönnt war. Jakob Frankfurter wird als Lehrer angestellt und hat das Lehramt bis zu seinem 1920 erfolgten Ausscheiden inne. Rabbiner Dr. Kurrein übernimmt weiterhin den Unterricht an den Teplitzer Mittelschulen, Oberkantor Davidson am Gymnasium in Dux. Wilhelm Heller wurde 1913 als Gemeindesekretär angestellt. Nach der Resignation Ludwig Adlers werden Gustav Taussig, Siegfried Brunner und Ferdinand Löwy Tempelvorsteher und im Jahre 1914 übernimmt Ferdinand Löwy das Amt des ersten Tempelvorstehers, welches er viele Jahre führt. Nach dem 1914 für den abtretenden Siegfried Brunner eine kurze Zeit Isidor Kohn als zweiter Tempelvorsteher fungiert hatte, übernimmt Gustav Pick dieses Ehrenamt bis zu seinem 1920 erfolgten Tode. Das Jahr des Kriegsausbruches 1914 bringt eine eingreifende Veränderung infolge des Rücktrittes des energischen und umsichtigen Vorstehers Dr. E. Stein; der als Beirat dem Kultusvorstande verbleibt. Der Weltkrieg fordert auch von unserer Gemeinde Opfer. Ein Antrag des Dr. Kraus, sie durch eine Votivtafel im Tempel zu ehren, wird in richtiger Erwägung, daß dieser Akt der Pietät verfrüht wäre, auf einen späteren Zeitpunkt zurückgestellt. Am 15. Februar 1914 wird das Amt des Gemeindevorstehers Dr. Ernst Cantor übertragen. Die Wahl Dr. Cantors zum Gemeindepräsidenten in dieser schweren Zeit war für die Gemeinde von weittragender Bedeutung. 665 1eplitz2O