Geschichte der Juden in Teplitz. Bearbeitet von Rb. Dr. Friedrich Weihs, Teplitz. Im Jahre 1925 hat Dr. Paul Wanie, Gymnasialprofessor in Teplitz-Schönau, eine „Geschichte der Juden von Teplitz" nach vorhandenen Archivalien herausgegebenJ). Sie enthält in kurzen Zügen die Geschichte der Teplitzer Judengemeinde seit der ältesten Zeit ihres Bestehens; allerdings sind vornehmlich die politischen Verhältnisse behandelt, die Beziehungen der Juden zur Herrschaft, der sie unterstanden, zur Stadtgemeinde und ihre geschäftlichen und Erwerbsverhältnisse. Die innerhalb der Juden- Alt-Teplitz (Judengasse) gemeinde sich abspielenden Ereignisse, das Leben und Geschehen in der Judengasse, im Tempel, in der Gemeindestube, die Persönlichkeiten, die in der Gemeinde wirkten und das jüdische Leben geformt oder beeinflußt haben, die kleinen und großen Sorgen und Aufgaben im Haushalte der Judengemeinde sind natürlicherweise kaum kurz erwähnt und bedürfen, wenn wir ein vollkommenes Bild der Entwicklung der jüdischen Gemeinde in Teplitz zeichnen wollen, einer ergänzenden Darstellung. Es wird somit vor allem notwendig sein die Gemeindegeschiohte in der neueren Zeit, also etwa seit dem Eintreten der deutschen Judenheit in die durch die französische Revolution sich wandelnden Verhältnisse darzustellen. Wir werden ungefähr 150 Jahre, bis auf das Jahr 1780, zurückgreifen und diese Zeitspanne jüdischen Gemeindelebens in Teplitz in den Kreis unserer Betrachtungen ziehen. An archivalischen Quellen liegen vor: 1. Ein Protokoll der Gemeinde vom Jahre 1737. In schlechtem Hebräisch, in Kursivschrift. 2. Ein Protokoll hebräisch und deutsch in jüdischen Lettern, welches recht fehlerhaft geschrieben, besonders in seinem deutschen Teil noch stark jargonisie-rend ist. Dieses reicht bis etwa zum Jahre 1780. Teplilz 1 3. Ein Protokoll vom Jahre 1799 beginnend, schon in deutscher Sprache. 4. Die Sitzungsprotokolle der neueren Zeit bis auf die Gegenwart mit Ausnahme der etwa vom J. 1840 bis 1884. 5. Die israelitischen Geburts-, Trauungs- und Sterbematriken. Diese reichen in tadelloser Ordnung bis zum Jahre 1840, zum Teil bis 1815 zurück (s. w. u.). 6. Ein Verzeichnis der seit d. J. 1794 bis z. J. 1887 inbegriffen Verstorbenen mit der Angabe der Sterbedaten und ihres Grabplatzes auf dem Friedhof. Bis zum Jahre 1875 hebräisch, bzw. deutsch, in jüdischen Lettern, von diesem Jahre ab deutsch mit den deutschen Namen der Beerdigten. 7. Ein Verzeichnis aller auf dem alten Friedhof Beerdigten mit der durchgehends beigefügten Angabe der Sterbedaten und Aufzeichnung vieler Grabsteininschriften. Dieses Verzeichnis, dem auch ein Namensindex beigefügt ist, enthält 923 Namensnennungen, welche mit der letzten Beerdigung v.om 4. 10. 1863, also mit dem letzten auf diesem Friedhofe Beerdigten, abschließen. Zu diesem Verzeichnis ist zu bemerken, daß viele der Inschriften auf den Grabsteinen vo>r einigen Jahrzehnten von einem Gemeindebeamten geradezu bis %JT Unverständlichkeit übermalt worden sind, sodaß die Aufschriften mancher Grabsteine, ihre Abschriften und der Index mit äußerster Vorsicht zu verwenden sind. Viele Namen von Verstorbenen fehlen im Verzeichnis. 8. Die große Anzahl der auf dem alten und auf dem neuen Friedhofe befindlichen Grabdenkmäler ist eine wertvolle Fundgrube zur Erforschung der Geschichte unserer Gemeinde. 9. Das Gedenkbuch der Beerdigungsbrüderschaft der israelitischen Kultusgemeinde Teplitz 1866. Dieses Gedenkbuch, ein stattlicher Band, enthält nur eine Skizze vom Rabbiner Dr. A. Rosenzweig: „Allgemeines zur Geschichte der hiesigen jüdischen Gemeinde." Sie ist, soweit die ältere Geschichte in Betracht kommt, eine kurze Darstellung aus alten Quellen, wie sie auch Wanie anführt, und reicht bis z'nr Abberufung Dr. Rosenzweigs nach Berlin (1. September 1887). Diese Arbeit schließt rückschauend, auf sein Wirken in Teplitz mit einem Ausblick in die Zukunft der Teplitzer Judengemeinde im Tone der Resignation und der Sorge. 10. Ein Verzeichnis der auf dem neuen Friedhofe Beerdigten. Es sei also für die ältere Geschichte auf die oben genannte Darstellung von Wanie ausdrücklich hingewiesen. In neuester Zeit erschien überdies ein wertvolles Quellenbuch von August Müller „Urkundenbuch des Teplitzer Bezirkes". * Die Juden von Teplitz zeigen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, wie überall im westlichen Europa, das Streben nach Angleichung in Sprache und Ge-bahren an ihre christliche Umgebung. Mehr und mehr dringt mit zunehmender Bildung die deutsche Sprache in die Judengasse und in die Gemeindestube ein. Die Gemeindeberatungen sind allerdings ein klarer Beweis dafür, daß bei allem Bildungsstreben der Juden dennoch das religiöse Leben die herrschende Rolle inne hatte. Den Aufgaben, welche Religion und Kultus, Ritualinstitutionen und die Obsorge für ihre Erhaltung der Gemeinde aufbürdeten, gelten in erster Reihe die Beratungen der führenden Persönlichkeiten. Die Aufbringung der zur Erhaltung der Gemeinde notwendigen Mittel, die Erfüllung finanzieller Verpflichtungen gegen Herrschaft, Stadt und die Beamten und Angestellten der Gemeinde bilden immer wieder den Mittelpunkt der Beratungen. Einige Einrichtungen religiöser Art oder solche zu wirtschaftlichen Zwecken bildeten durch lange Jahrzehnte eine starkbegehrte Einnahmsquelle für die Gemeinde wie für die Pächter. Das rituelle Bad, das Schächtrecht, der Fleischverkauf (der Fleischpardon), der Gemeindebackofen, und die Aschengrube der Judengasse wurden durch Versteigerung dem Meistbietenden verliehen. Doch auch in diesen engen Kreis der Teplitzer Judengasse dringen zuweilen die Wellen der großen Ereignisse der Welt und auch.in der Beratungsstube der Judengemeinde finden Kriegsgeschehnisse, Teuerung, Einquartierungen und Kontributionen ihr Echo. Ereignisse politischer Art und Verwaltungsmaßnahmen der Regierungen beeinflussen auch die Judenschaft in ihrer Stellung zur Außenwelt und in ihrem gemeindepolitischen Leben. Der Tod bedeutender Männer der Gemeinde, die Einführung geistlicher und weltlicher maßgebender Persönlichkeiten ins Amt, Ereignisse in der Judengasse und im Tempel, die allmähliche Einbürgerung und bürgerliche Gleichstellung der Juden spiegeln sich in vielen Berichten. Daneben sind tausend kleine, uns kleinlich anmutende Dinge des Alltagslebens und der Gemeinde Gegenstand der Beratungen; aber auch der Charakter unserer Stadt als einer Sladt der Thermen und als Ort wachsender Industrie, das Aufblühen der Stadt und der Judengemeinde in ihr, das Eindringen eines großzügigeren Lebens, das Verweilen hoher Persönlichkeiten in den Mauern von Teplitz und nicht zuletzt das unaufhaltbare Eindringen neuzeitlichen Denkens in den Kreis des religiösen Lebens, in Synagoge, Schule und Haus, die Reform des Gottesdienstes durch Orgel, Chor, deutsche Predigt, das alles schafft mit den wachsenden humanitären Aufgaben der Gemeinde eine Fülle ernster, nicht immer leichterfüllbarer Arbeit, welche der Gemeinde und ihren Führern obliegt. Zur älteren Geschichte der Teplitzer Jiulengemciiulc. Teplitz ist eine alte Wohnstätte der Juden. Da die ältere Geschichte unserer Gemeinde mehrmals dargestellt ist2), sei nur kurz erwähnt, daß die alte Andachtstätte schon um 1550 bestand3), daß sie nach einer alten Überlieferung von 18 Hausvätern erbaut worden sei3), daß um die gleiche Zeit ein Friedhof hinter dem heutigen Theater lag, der im J. 1669 von der Grundobrigkeit gesperrt wurde, daß sicherlich auch ein rituelles Bad schon damals vorhanden war; denn die Tatsache, daß Schwenkfeldt in seiner Beschreibung der Thermae Theplicenses 1607 die Juden- bäder nicht erwähnt, ist kein Gegenbeweis*). Wie Synagoge und Friedhof, so gehörte das rituelle Bad zu den Kultuseinrichtungen der Gemeinde. (Auch in den Statuten der gegenwärtigen Gemeinde ist der Bestand eines rituellen Bades vorgesehen.) Zweifellos war schon in früher Zeit für Arme und kranke einheimische und fremde Juden gesorgt und vielleicht gab es auch schon ein Spital, denn in späterer Zeit wird von diesen Einrichtungen als von selbstverständlichen Dingen gesprochen. Die Gemeinde war von geistlichen und weltlichen Führern geleitet, und führte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts natürlich ein streng religiöses Leben, bis die neue Zeit auch in die Judengassen ihren Einzug hielt. Teplitz erlangte im 17. Jahrhundert, nach dem 30 jährigen Kriege, für die Juden eine große Bedeutung, weil es die Zuflucht vieler Ausgewiesenen wurde. : Nach dem Ausnahmsgesetze des böhmischen Land- Ghetto tages, nach welchem Juden nur dort wohnen durften, wo sie bereits 1618 seßhaft waren, wurden sie in Dux, Komotau, Karlsbad, Eger, Saaz, Bilin, Brüx, Klostergrab, Graupen, Karbitz, Trebnitz, Leitmeritz, Tet-schen, Kainnitz, Bensen und an anderen Orten nicht geduldet (Rosenzweig, Gedenkbuch) und deshalb bildete Teplitz die Insel im Meere der Heimatlosig-keit. So wird auch die Bitte der Teplitzer Bürger-schaft 1667 an die fürstliche Herrschaft um Aus-Weisung der Juden bis auf 100 verständlicher"). Erst im 18. Jahrhundert beginnt die Geschichte der Gemeinde für uns klarere Gestalt anzunehmen, füh-