Geschichte der Juden in Staab. Bearbeitet von Prof. Dr. AI. Bergmann, Olmütz. JJie erste Erwähnung von Juden in Staab (č. Stod) in dem uns zur Verfügung stehenden Schriftmaterial des Stadtarchives St., geschieht in der 1. Hälfte des 17. Jhts. In den Stadtrechnungen der Zeit nach dem 30jähr. Kriege ist wiederholt von einem Juden aus Kladrau die Rede, wahrscheinlich einem Branntwein-schänker. 100 Jahre später, im J. 1782, findet sich im Gemeindeprotokoll, p. 12, unter der Note: „Wegen Pachtung der Cridarischen Prockopischen Würth-schafft d. Gub. Dec." folgende wörtliche Feststellung „den nemblichen Tag (21. XII. 1782) zu Mittagszeith um 12 uhr ist angelangt eine Oberamtliche Verordnung mit beyschlissigen Hohen Gubernial Befehl No. 7/12. XII. a. c. daß nur denen Juden das Obrigkeitliche Brandwein Hauss oder sonst ein order grund zu Verpachten gestattet wirdt, (Anmerkung d. Publizisten: „wenn ein Jude im Orte ansässig war" soll ergänzt sein.) so kann die ansinnende Verpachtung eines . gantzen bürgerlichen Hauss mit steuerbahren Feldern in den Marckt Staab dem Merkliner Juden Lazar Abraham um so weniger erlaubet werden, daß ohne hin in diessen orth kein Jud jemahls gewesen. (Akt: Wegen Pachtung der Cridarischen Prockopischen Würtschafth di.Gub. Dec.) Um den Sinn dieser dunklen Rede verstehen zu können, muß voraugeschickt werden, daß die Chotie-schauer Obrigkeit sowohl, als auch die ihr untertänigen Bürger, von jeher stark judenfeindlich oder mindestens judenablehnend waren. Die Juden, die vor allem nach den gewinnabwerfenden Gastwirtschaften trachteten, wurden aber durch zit. obrigkeitlichen Befehl von der Verpachtung ausgeschlossen. Der Tradition nach waren die Bürger des untertänigen Städtchens Dobrzan am judenfeindlichsten, was sich in zahlreichen Judenvertreibungen äußerte. Schaller erwähnt, ebenso wie Sommer (1838), daß in der ganzen Herrschaft Chotieschau nur eine Judenfamilie mit obrigkeitlicher Erlaubnis siedelte (Sommer: p. 106, Der Pilsner Kreis). In der nächsten Nachbarschaft dagegen siedelten wieder mächtigere Diasporen auf kleinen Herrschaften, die die Juden als willkommene Steuerzahler betrachteten, um ihre Einnahmen, die nur im Ertrage der schlecht und recht betriebenen Landwirtschaft entstammten, zu vergrößern. Die interessanteste Nachbargemeinde Staabs mit Judenfamilien war entschieden das zwei Stunden entfernte Nedraschitz. Schaller erwähnt diese Nedra-schitzer J. G. nicht, dagegen zitiert sie Sommer (p. 122, Pilsner Kreis), bei Nedraschitz 11 Israelitenfamilien, von denen nunmehr ein Großteil abgewandert, das Bethaus jedoch erhalten geblieben und noch im Gebrauch ist. Als interessantes Bauobjekt ist noch ein Haus zu sehen, das ehedem von Juden bewohnt worden war. Es entspricht in seinem Stil, dem im Pilsner Kreise gebräuchlichen und dürfte dem Ende des 17. Jhts. entstammen (s. a. a. 0.). In der Umgebung Staabs fanden sich weiters alte Juden in Gemeinden Merklin, Kladrau, Dölitschen, Piwana (dort waren nach Sommer 1838 noch 7 Juden-häusJer mit 10 Judenfamilien), dann in Mies, in Tusch.-kau Stadt und in Nürschan. Die Juden der vereinigten Gemeinde Rakolus-Rajowa und Dollana im Miestal bildeten schließlich den Grundstock, der nach dem J. 1848 zu St. aufkommenden J. G. Um den genannten Zeitpunkt beginnen Juden aus dem Mieser und Tusch-kauer Bezirk nach St. einzuwandern. Ihr Haupterwerb bildete das Hausieren. Genügsam und geschäftstüchtig, gelang es ihnen, innerhalb eines halben Jhts. der wichtigste wirtschaftliche Faktor der Stadt St. zu werden. Aus jenen Zeiten der Einwanderung und Gründung sind uns 3 Dokumente im städt. Arch. zu St. erhalten geblieben, die wohl wörtlich gebracht werden müssen, um die Situation zu beleuchten und festzustellen, unter welchen Bedingungen und woher, die Juden der Gemeinde St. kamen. Es handelt sich um amtliche Dokumente, um Wohlverhaltungszeugnisse. Das erste lautet: (Stempel 15 fr. (KTO. 33om ©emeinbeöorftanbe SRafofuS u. iSoItana nrirb fjir* mit Beftättiget bafc ber $ele Se rit ar b au§3íafo£u§ feine rebltcfjen SBanbel redjtfd)affen ftd) burd) feine fíebenějaíjre fo lang er ftd) in unferett Drtě aufgehalten redjtfdjaffen aufgeführt íjabe. ®aíjer Qí)tn ba§ Befíe ^eugniě auBgeftcilt roerben íamt. Staíoíuš u. ®olíana ben 221. $äner 1857 fieBen Sauren g^@tengl ©emeinbe Söorfteljer (©emeinbefiegel) Das zweite: 15 fr. S5TO. SSou ©emeinbeoorftanbe Stařoíuš u. SBerBanb íDolíana rtnrb fjirmtt Beftättiget bafj ber 21 braß, am SBernarb aus 9?aMu3 feine rebüdjen 2Banbet red)tfd)affen fidj burd) feine fíeBenžjaíjre roettfje er. ftd) Bet íjierorttgen aufgehalten íja&e aufgeführt jjatte bal;er ${jm ^a§ &efie .8eugm§§ aušgeftellt roerben faun. 3íafotu§ u. ©oííana ben 22. te #cmer 1857 fteben Saureng ©tengl ©emeinbe SBorfteíjer '"■ (©emeinbeftfgeí) 608 Albert Bernard Tempel (Innenansicht) Josef Salz Diesen beiden Dokumenten liegt ein Akt bei, der folgenden Wortlaut hat: 2í6rar)am 33ernarb aus sJíafoíu§, roořmíjaft in (St. Bittet um ©rrotrfung einer neuen §aufier6en>ilfigung. ÜBorftefjenbeS mit beut §aufier&ud;e Belegtes Gštnfdjreiten ift řjieramísí am 16. Jänner e. f. 9Í. ©. 194 pol eingereiht roorben. Ř. f. Begirfgamt @taaB am 25. Jänner 1857. ^RufjBaum. Die eine Woche nach Einreichung um die Hausier-srlaubnis vorgelegten Wohlverhaltungszeugnisse der fremden Gemeinde beweisen, daß die Familie Bernard erst kurze Zeit in St. ansässig gewesen sein muß. 4 Jahre später wird auch dem Josef Witt, dessen Nachkommen heute ebenfalls wie die Nachkommen Bernards in St. ansässig sind, Hausierer aus dem Dorfe Rakolus, ein Wohlverhaltungszeugnis ausgestellt, in dem Witt als treu, fleißig, friedliebend, und mit gebührender Achtung den Behörden gegenüber geschildert wird. Das Haus „Witt" in St. hat heute noch den Rufnamen „beim Samrl", das Haus Bernard „beim Jele(r)". Der Grabstein des „Samerl" Witt ist einer der ältesten am Staaber Friedhof und noch in hebräischer Schrift gehalten, während die anderen Steine (mit Ausnahme von zweien) modern und mit lat. Schriftzeichen versehen sind. Diese drei alten Steine dürften von einem anderen alten Friedhofe (die Juden von St. begruben früher nach Piwana) hingebracht worden sein. Nach dem J. 1848 kann auch die Familie Salz nach St. und die bereits abgewanderte Familie Gut-freund. . Wie erwähnt, begruben die Staaber Juden früher ihre Toten nach Piwana, auch nach anderen Ortschaften mit Judenfriedhöfen, falls sie aus ihnen stammten. Seit dem J. 1906 besitzt das Staaber Judentum einen modernen, gutgehaltenen Friedhof, an der St. Straße gegen Holeischen, unweit des christl. Friedhofes, gelegen. Um die Erwerbung dieses Friedhofes, wie überhaupt um die Organisation der Staaber Juden, hat sich besonders die Familie Salz größte Verdienste erworben. So waren die früheren Vorsteher der K. G., die 1873 entstand, aus dem Salzschen Geschlechte hervorgegangenen (H e r r m a n n Salz, Heinrich Salz, 1900 bis 1920). Gegenwärtig steht der Gemeinde Herr Josef Salz, Fabrikant in St., vor (seit 1920). Diese K. V. erwarben sich besondere Verdienste um die Beschaffung eines würdigen Tempels, sorgten für die Berufung von Rlg. und für die moderne Ausgestaltung der J. G. Herr Wilhelm Salz ist als eigentlicher Gründer des Friedhofes anzusehen. Seiner Arbeit ist auch die Entstehung eines Wohltätigkeitsvereines zu verdanken. Weiters gründete er die Ch. K. und ist Obmann desselben. Aus der Familie Salz sind als wei- Rb. Moritz Bussgan tere wichtige Persönlichkeiten hervorzuheben: Der Gründer der ersten Böhm. Malzfabrik H. Joachim Salz; dann Dr. phil. Arthur Salz, ein hervorragender Nationalökonom, Dozent an der Universität Heidelberg (als Verfasser verschiedener anerkannter wissenschaftlicher Werke über Nationalökonomie); H. Wilhelm Salz als Gründer der durch H. Ludwig Salz zur größten und modernsten Ziegelfabrik Böhmens ausgestalteten Salzschen Ziegeleien: die gegenwärtigen Repräsentanten der heimischen Malzindustrie, die H. Josef und Oskar Salz. Die Zahl der der Staaber K. G. angehörenden Juden betrug i. J. 1930 130 Seelen, davon 28 Steuerzahler. Einnahmen und Ausgaben betragen jährlich über 12.000 Kč. Zur K. G. gehören der Ger. Bezirk Staab und Dobrzan mit Ausnahme der Stadt Nürschan und einiger' weniger Gemeinden. Nachdem vom J. 1862 angefangen einem jüdischen B. V. nur ein Bethaus zur Verfügung stand, konnte i. J. 1882 eine Synagoge erworben werden. Das einstöckige, schmucklose Haus enthält im ersten Stock einen würdigen Betraum (daneben einen zweiten, kleineren). Der Freundlichkeit des H. Rb. Bussgang verdanken wir die Besichtigung des Gotteshauses und einige wichtige Angaben. An kunsthistorisch wichtigen Gegenständen findet sich eigentlich wenig vor. Einige schöne, getriebene Messingwandleuchter ausgenommen, ist im Tempel 600