Geschichte der Juden in Rumburg. Ei jine stärkere jüdische Ansiedlung von Juden in Rumburg (č. Rumburk) ist erst in der nachjosephini-schen Zeit zu verzeichnen. Die meist als Kaufleute ansässig gewordenen Juden gehörten zur Kultusgemeinde B. Leipa. Doch enthalten auch die Register der röm. kath. Pfarrgemeinden Hainspach und Niedergrund einzelne Juden betreffende Eintragungen. Die in der zweiten Hälfte des 19. Jhts. größer werdende Ansiedlung (die Volkszählung von 1880 ergab für die Stadt Rumburg 41 jüdische Seelen) führten zu der später durch das Gesetz über die Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der israel. Religionsgenossenschaft vom 21. März 1890, R. G. Bl. Nr. 57, im J. 1892 auch normierten Verselbständigung. Durch die Durchführungsverordnung des Ministeriums für Kultus und Unterricht vom 10. März 1893, Z. 1021, Rb. Ignaz Popper ex 1892, wurde die K. G. Rumburg geschaffen, bestehend aus den jetzigen Gerichtsbezirken Rumburg, Warnsdorf, Schluckenau und Hainspach (polit. Bezirke Rumburg, "Warnsdorf und! Schluckenau). Unter dem ersten K. V., Kaufmann Daniel Jerusalem, konstituierte sich die Gemeinde und berief im Dezember 1893 als Seelsorger, den am 25. Juli 1859 geb., bis zu seinem am 17. November 1930 erfolgten Tode wirkenden Rb. Ignatz Popper. Unter diesem kam es dann bei zahlreicher Beteiligung und in Anwesenheit der Behörden zur feierlichen Einweihung des inzwischen errichteten Betsaales in der Klostergasse in R. Einen immerhin beachtenswerten moralischen Erfolg gegen die antisemitische Hetze errang die junge Gemeinde kurz darauf, als gegen alle Proteste vom Obersten Verwaltungsgerichtshofe die Berechtigung der K. G. zur Vornahme der rituellen Schäch-tung anerkannt wurde. Mit Bescheid der k. k. Statt-halterei für Böhmen in Prag vom 20. Juli 1896 wurden die Statuten der K. G. genehmigt. Dem ersten Vorsteher Jerusalem, welcher bald darauf nach Reichenberg übersiedelte, folgte Eduard B a n d 1 e r, der als frommer Jude und getreuer Nestor durch viele Jahre eifriges Vorstandsmitglied blieb und 1923 hoch-betagt in Hamburg starb. Nach einer kurzen Amtsperiode des inzwischen gleichfalls schon verstorbenen Kaufmanns Emanuel Kraus folgte als Vorsteher der im höchsten Ansehen stehende Advokat Dr. Alfred Adolf Bock Dr. Alfred Kohn K o h n, der im noch jugendlichen Alter von 39 Jahren 1906 starb. Ihm folgte Advokat Dr. Heinrich Margolius. Derzeitiger Vorsteher ist Fabrikant Emil Beer. Das jüdisch-religiöse Leben der zur Kultusgemeinde gehörigen Bezirke und Orte konzentriert sich im Rumburger Bethause. Die Seelsorge, den Gottesdienst und den Religionsunterricht an den diversen Volks-, Bürger- und Mittelschulen der Gemeinde leitete zuerst Rb. Ignatz Popper, dlessen siebzigster Geburtstag im J. 1929 Anlaß zu mannigfachen Ehrungen bot. Ein Dokument vornehmster Gesinnung bildete dabei besonders eine freundschaftliche Zuschrift des Bischofs der altkatholischen Kirche. Die Juden des Sprengeis erfreuen sich fast durchwegs eines wirtschaftlichen Wohlstandes und trotz aller gegensätzlicher Einstellung doch des uneingeschränkten Ansehens. Als Künstlerpersönlichkeiten von Rang sind Innenansicht des BetsaaL noch zwei Söhne des obenerwähnten langjährigen Vorstandmitgliedes Bandler zu nennen, der in Hamburg als Konzertmeister wirkende Heinrich Band-1 e r und der bekannte Opernsänger Rudolf Bandler. Die K. G. zählt derzeit 360 Seelen und 124 Steuerzahler. Im J. 1930 wurde in Warnsdorf durch Frau Hanna Steiner, Prag, eine Ortsgruppe der „Wizo" gegründet. Vorsitzende Fr. Vally W e i s s. 578 Rumburg 1 Die Geschichte der Juden in Saaz. Bearbeitet von Prof. Ernst Mändl und Dr. Heinrich Schwenger, Saaz. Saaz (č. Zatec) ist immer ein wichtiger Straßeu-knotenpunkt gewesen, lag an einem fischreichen Wasserweg, stand später lange unter der Verwaltung eines königlichen Prinzen und entwickelte sich später im 15. und 16. Jht. langsam zur drittgrößten Stadt des Landes. So sehen wir in S. ein großes Ghetto entstehen, das, als die ersten Deutschen unter Herzog Wenzel I; ins Land kamen, bereits wichtige Handelsbeziehungen im ganzen Lande besaß, besonders aber mit der Haupt- und Residenzstadt des sich langsam einigenden Landes, das ja früher aus Teilfürstentümern bestanden hatte. Das nicht weit weg vom Ufer des Egerflusses liegende Ghetto halfen die neuankommenden Juden vergrößern. Bis jetzt waren schriftliche oder andere Denkmäler über Juden aus jener frühesten Zeit nicht zu eruieren. Im 14. Jht. hieß in S. ein Platz „Judengarten" der, der allgemeinen Meinung nach, ein jüdischer Friedhof gewesen sein soll. Irgendwelche Überreste eines solchen Friedhofes sind dort nicht gefunden worden. Die älteste Nachricht, die wir von Saazer Juden derzeit in Händen haben, stammt aus dem J. 1350. Karl IV., König von Böhmen, bestätigt dem Sohne des Mathias von Eger, Peter, Richter von S., seiner Gattin Agnes und seinen Rechtsnachfolgern das Richteramt der Stadt S. mit allen Einkünften und Rechten, namentlich mit den vier Fleischbänken und Zöllen. Er darf außerdem bei Mordtaten Urteile fällen und erhält schließlich auch die Gerichtsbarkeit über die Juden. Dies weist darauf hin, daß es hier unter anderem auch Streitigkeiten mit und unter Juden gegeben hat, daß die Juden also hier Besitz hatten und begütert waren und daß alle die den Handel und Verkehr betreffenden Streitfragen mit Einkünften dem Stadtrichter übertragen wurden. Aus dem J. 1376'finden wir das Taufzeugnis eines getauften Juden, wir hören von Samuel von S. und Michel von S., die mit ihren Gattinneu zusammen Geber von Schuldbriefen sind. Auch im Saazer Kontraktenbuch finden wir den ■" Namen eines Juden David, der Häusertransaktionen vornimmt. Ferner werden im J. 1411 und 1418 Saazer Juden urkundlich erwähnt. Aus den offiziellen Schuldbriefen der Jahre 1498 bis 1508 ersehen wir ebenfalls Judennamen, die den Beinamen „aus Saaz(i trugen. Nach den Hussitenkriegen waren nun die Deutschen aus vielen Städten auch aus S., entweder überhaupt oder auf mehrere Jahrhunderte hinaus verdrängt; und als sich einerseits nun dadurch die Juden wieder dem Handel und Gewerbe zuwandten, andererseits die aus dem Kriege Heimgekehrten oder frisch zugewanderten Tschechen die Konkurrenz mit den Juden nicht aufnehmen konnten, da entstanden jene Anfänge eines tödlichen Hasses und wir hören zum erstenmal auch in S. die Forderung nach Vertreibung der Juden. Im J. 1526 verlangten die Saazer, ihnen die Vertreibung der Juden zu gestatten. Der Landesunterkämmerer Zdeněk von Rožmitál ersucht sie jedoch in einem Briefe, sich zu gedulden. Er deutet ihnen an, daß der König nicht mehr lebe und Bürgermeister und Stadträte in dieser Angelegenheit keine neuen Beschlüsse fassen oder sich zu voreiligem Handeln hinreißen lassen. Der neue König werde gewiß alle ihre gerechten Wünsche nicht unerfüllt lassen. Die Juden aber sind Knechte der königlichen Kammer und nach ihnen zu langen, sei ein Eingriff in die königlichen Rechte. Gleich darauf bittet der oberste Burggraf (Čela-kovský) die Prager Bürger um Aufenthaltsbewilligung für den Juden S a m u e 1 aus S. Dieser scheint schon auf die oberwähnte Bitte seiner Mitbürger hin entflohen zu sein. Er erfreute sich nämlich keiner sehr großen Beliebtheit, wie wir aus folgendem erfahren. Im J. 1527 sendet Rožmitál wieder ein Schreiben an den Bürgermeister und die Ratsherren der kgl. Stadt S., in welchem er sich darüber beschwert, daß die Brüder Fremuth aus Schönhof seinen Erbjuden (daher die Verwendung für ihn) Samuel blutig geschlagen habend Die Bevölkerung war also bereits zu Taten übergegangen. i~- Als sich die Saazer im J. 1530 in bezug auf die Vertreibung der Juden abermals selbständig machen wollten, da war es wieder der König Ferdinand I., der diesem Treiben entgegenarbeitete. Vor allem ergänzte er die Judenordnung Wladislaws dahin, daß von nun an nur 2 Groschen vom Schock per Woche als Schuldzins genommen werden dürfen, weiters müssen die Juden, die nicht königliche Kammerknechte sind und doch in der königl. Stadt S. wohnen, diese sofort verlassen. Das war eine Spitze gegen den Adel, der von einigen in S. wohnenden Juden Schutzsteuern angenommen hatte. Oder war dies bei Samuel etwas anderes gewesen? Überhaupt sehen wir, daß Ferdinand die unter den Jagellonen so mächtig gewordenen Stände wieder etwas zurückdrängen wollte. Dabei war ihm jedes Mittel recht: auch das, sie finanziell zu schwächen, selbst wenn sich dieser Vorgang zuerst zum Schaden der Juden, also zu seinem eigenen Steuerschaden auswuchs. Einigen Saazer Bürgern hatte aber doch das Bitten nicht genügt, sondern sie hatten bereits dadurch ein wenig Vorschuß auf die sicher erhoffte Erlaubnis genommen, daß sie einige Juden erschlugen, gleichzeitig ein wenig bei den Juden raubten und plünderten. Dies erfahren wir aus einem (deutsch abgefaßten) Bericht der böhmischen Kammer an den in seiner Wiener Residenz weilenden König Ferdinand. Ein paar Tage später bekamen die Saazer den offiziellen Befehl von den obersten Ha.uptleuten des Königreiches Böhmen Johann v. Wartenberg, Adalbert v. Pemstein, Radslav v. Beřkovský und Wolfart Plankner, gegen die Juden nichts ohne Einwilligung 37* 579