der auch für die Nationalversammlung in Frankfürt a./M. kandidierte, starb als Privatmann in Kratzau. Auch auf der kleinen Herrschaft Lämberg wohnten ehedem einzelne Juden. Der schlesische Adel wandte sich zu Beginn des 15. Jhts., da seit dem J. 1395 den Juden der Aufenthalt und Erwerb von Grundbesitz in Görlitz versagt war, vorzugsweise an die in dem nicht allzuweit entfernten Löwenberg („Läm-berg") wohnenden Juden um Darlehen 40). LIEBENAU. Im J. 1806 fiel in dieser Stadt alles einer Feuersbrunst zum Opfer. Wie durch ein Wunder wurde der Kasten, der die Dokumente betreffend die Stadtprivilegien enthielt, gerettet. Die überraschend guterhaltenen Pergamentrollen und Mappen samt Siegel wurden im Original erst im J. 1924 wieder aufgefunden. Nach Wallensiteins Tode fiel die Herrschaft Liebenau an Isolani, dessen Tochter als Äbtissin ins Kloster trat und sie als Mitgift mitbrachte. Unter den neuen Dokumenten nehmen 5 auch Bezug auf Juden. 28. Feber 1690: Maria Kunigunde Hildebraudin Obristin und Conventh d. regul. Chorfrauen v. Set. Jacob verleihen einige Stadtrechte. Unter Punkt 8. „Achtens von alteraher niemahls kheine Juden im Städtl. Libenau sesshaft gewesen, das auch hiefür kheine alda verstattet werden sollen." 1. Dezember 1731: Catharina Antonia Binderin Obristin und Convent d. regul. Chorfrauen Set. Jacob bestätigen vorgenannte Rechte (vorzitierter Punkt 8 ist hier unter Punkt 7). 30. Jänner 1747: Victoria Freiin von Landau und Convent, Bestätigung des Vorgenannten. 20. Oktober 1748: Kaiserin Maria Theresia bestätigt die erteiken Rechte v. d. Stift Set. Jacob. 27. April 1783: Kaiser Joseph bestätigt die erteilten Stadtrechte. Letzteres ist umsomehr verwunderlich, da dieser Herrscher bekanntlich die Klöster auflöste. In den Originaldokumenten ist nirgends von einer „Gnade" die Rede, die der Bürgerschaft von L. durch das Vorrecht, Juden nicht zu dulden, erteilt worden wäre. Die „Mitteilungen" und andere Werke, die es in dieser Fassung bringen, sind demnach zu berichtigen. Wahrscheinlich richtelen sie sich nach der im Stadtbuche enthaltenen Kopie, die vermutlich aus dem Gedächtnis zitiert hatte. Während 1808 der „Obrigkeits-Branntweinhaus"-Pächter Moises Rosenstein und 1812 die Schutzjüdin Anna Schiller unbehindert in L. wohnen durften, entbrannte im. J. 1838 ein Wohnrechtsstreit, worüber § 38 der alten Chronik von L., „Memorabilien" genannt, unterrichtet. Die Liebenauer Wegmaut war bis dahin an christl. Mautpächter vergeben. Im genannten Jahre wurde jedoch die Pachtung vom Münchengrätzer Juden David Kompert erstiegen. Gleich darauf schloß er mit dem Liebenauer Bürger und Webermeister Ant. Jeranek einen Mietvertrag ab, damit er ihn zur Ein-hebung der Maut in seinem Hause ein Wohnrecht einräume. Der Magistrat trug jedoch diesem auf, den Vertrag mit dem Juden sogleich zu annullieren, u. zw. aus dem Grunde, weil es Juden nicht gestattet sei, in L. zu wohnen. Kompert legte jedoch beim Kreisamte eine Beschwerde ein. Bald darauf wurde wegen einer Wahl eine Bürgerversammlung abgehalten, wobei auf Verlangen die städt. Privilegien vorgelesen wurden. Als die Bürger erfuhren, daß es keinem Juden gestattet sei, in L. zu wohnen, so entstand unter ihnen ein Murren gegen das Vorgehen des Jeranek, der zugegen war. Kurze Zeit darauf erschien eine Kommission des Kreisamtes auf dem Rathause zu L. und revidierte die städt. Privilegien. Sie beanständete den Judenpunkt, weil er dem. Schlußpässus der Privilegien widerspricht, wonach diese aufzuheben seien, wenn ihnen höhere Verordnungen zuwiderlaufen. Hierauf wurde Kompert provisorisch als Pächter eingesetzt und. ihm. auch das Wohnrecht eingeräumt. Diese Verfügung wurde sowohl vom Landesgubernium. als auch von der Hofstelle bestätigt. Alle Rekurse scheiterten an der Bestimmung eines Hofdekretes, wonach jüd. Mautpächtern das Wohnrecht in den Städten während der Zeit der Pachtung gestaittet sei. * Quellennachweis. Archiv des Ministeriums des Innern. Archiv der Stadt Reichenberg. Archiv der isr. Kultusgemeinde Reichenberg. Archiv der Bezirksbehörde. Archiv der ehemaligen Tuchmacherzunft und jetzigen Genossenschaft in Reichenberg. Landesarchiv in Prag. Schloßarchiv in Friedland. Anton Fr. R e s s e l: „Heimatkunde des Reichenberger Bezirkes, Stadt und Land." 1903—1905. „M itteilungen des- Vereines für Heimatkunde des Jeschken-lsergaues." Anton Ernstberge r: „Wallenstein als Volkswirt im Herzogtum Friedland" 1929. Joseph G r u n z e l : „D. Reichenberger Tuchindustrie." *) „Zeitgeschichte der hochgräfl. Clam-Gallas'sehen Fabrikstadt Reichenberg." 2) Aus dem Čechischen übersetzt, „Die böhm. Landtagsverhandlungen und Beschlüsse." I. Prag, 1877. 3) Julius Heibig: ,,Urkundliche Beiträge zur Geschichte d. edl. Herren d. Biberstein." 1911. ; 4) Aus den Missivenbüchern J. 16.23. Schloßarchiv Friedland. Der Liebenswürdigkeit der Herren Dr. Josef Berger, Staatsarchivar in Prag, Prof. Dr. Rudolf G i inel und Prof. Dr. Victor Lug, beide in Reichenberg, verdanke ich einige Notizen in den Quellen. 5) Käthe Spiegel im Sammelwerk: „Die Juden in Prag." S. 142. ö) Archiv des Min. d. Innern., F 67/7. Den auf R. sich beziehenden Passus des Privileg, von Bassewi bringt Hallwich nicht in seinem „Briefe und Akten", sondern wird hier zum e r -stenmile veröffentlicht. Dieser Passus ist zwar nur im Konzept, in 3 Exemplaren vorhanden, aber das Konzept hat Anspruch aufrolle Gültigkeit, weil es mit den inneren Tatsachen , in Übereinstimmung steht und obendrein auch von der Jičiner Kammer bestätigt wurde. . 7) In den uneingereihten Akten. Arch. der Stadt R. s) „Chronik . . . zweyer Städten Friedland und Reichenberg." Prag. 1763. u) Von Syrowatka anläßlich des hundertjährigen Bestandes dieser Genossenschaft. 10) Sessionsprotokoll. Arch. d. Stadt R. "■) Max Freudenthal: „D. isr. Kultusgemeinde Nürnberg L374—1924." 1025. i=) Marperberger: „Beschreibung des Tuchmacherhandwerks", 1723. S. 109; G. Sartorius: „Gesch. d. Hauseat. Bundes", Bd. II, 2. Abt., S. 720/21, Bd. III, S. 323—330; Sartorius v. Waltershausen: „Urkundl. Gesch. d. Ursprungs der deutschen Hause", Bd. I, S. 292 ff. Raudnitz: „Reichenberg und dessen Tuchmanufaktur" in „Beiträge für Kunst" usw., Bd. II. Zitiert von Walter Hawelka: „Geschichte des Kleingewerbes usw." 1932, S. 47. 13) Archiv des Min. d, In. 14) Friedländer Lehenbuch, Bd. IV. Landesarchiv Prag. 15) Das Wort Peschores, das auf den Urkunden irrtümlicii mit weichem B geschrieben wird, stammt aus dem Aramäischen. In der Bibel heißt das hebr. Wort Pescher Deutung. Im Talmud bedeutet Pescharutha Vergleich, die gütliche Beseitigung von Streitigkeiten, das Aufspüren von Auswegen, um einen Prozeß zu vermeiden. 1(!) Der Mantelgriff (Kinjan sudar) war in der talmudischen Zeit ein Erwerbsakt. Dann wurde es mehr ein Symbol bei Übertragung von Objekten und Rechten, sowie auch zur Bekräftigung von Verträgen. 17) Friedländer Lehenbuch. Bd. IV. Landesarchiv Prag. Hier zum erstenmale abgedruckt. 1S) Uueingereihte Akten. Archiv d. St. R. 10) Vgl. „Gablonzer Tagbl." vom 22. Feber 1930, S. 7. -") „Die Wiener Juden-Kommerz, Kultur. Politik. 1700 bis 1900." 1917. Reichenberg 40 568 21) Vgl. bezügl. letzterer Angabe Czoernig: „Topographisch-histor.-statistische Beschreibung von R." 1829. S. 96/97. 22) Uneingereihte Akten. Arch. d. St. R. 23) Ibidem. 21) über ihn veröffentlichte im J. 1926 Prof. Dr. Samuel K r a u s, Wien, eine aufschlußreiche Monographie. "') Dr. Wilhelm F e i s t n e r, „R. Zeit." (mit „F" gezeichnet) vom 1. Jan. 1921. 20) Dies, sowie obige Eingabe und Dekrete aus den Gedenkbüchern der R. Tuchmacherzunft. Über die erwähnte „uralte Abgabe usw." konnte ich nichts Näheres erfahren. 27) „Versuch einer Geschichte des böhmischen Handels." Prag, 1849. 28) „Reichenberg und Umgebung." 1874. S. 318 f. "") „Commerz, Fabriken und Manufakturen des Königreiches Böhmen." 1790. S. 140 f. 30) Schreyer, ibidem. sl) Im Archiv d. isr. Kultusgemeinde in R. befinden sich zwei gedruckte Berichte: 1. „Bericht über die Zustände der isr. Kultusgemeinde im R. bis 31. Dez. 1874", erstattet vom K. V. Siegmund Liebitzky und 2. „Der Bau des i.n\ Tempels in R", erstattet in der Generalversammlung vom 28. September 1891. Der Verfasser, der nicht genannt wird, war Max Schnabel. Außerdem sind noch . handschriftliche Aufzeichnungen zumeist auf Grund persönlicher Erinnerungen von Julius Fischer vorhanden. Wir folgten in manchem Betrachte den Darstellungen in diesen Berichten, die Daten überprüfend und wo es nötig war, auch berichtigend. 3S) Vgl. Dr. Wilhelm Schnürmacher: „Zur Regelung der Kultussteuern" in der Monatsschrift der „Österr.-isr. Union", Juli 1903. 33) Raimund Elstner: „Verzeichnis verschiedener Begebenheiten aus einigen Jahrhunderten." 1905. 31) Dr. Franz Bayer: „Reichenbergs Ärzte." 3!i) Arch. des Min. d. Innern. 3(i) Schloßarchiv in Friedland. 37) Herrmann: „Geschichte d. Stadt Reichenberg." 1863. '") Abgebildet in der Veröffentlichung der Denkmal-Kommission des 0. Rates: „Die jüd. Denkmäler in der Tschecho-slovakei." 30) Ibidem. 40) Walter v. Defficker: „Des Adel des Görlitzer Weichbildes." 569 Peichenberg 41