Schächter. Gegenwärtig übt diese Funktion Naphtali Kar thagener aus. Im J. 1901 wurde eine Ortgruppe des „Hilfsvereins für die notleidende jüd. Bevölkerung Gailiziens" gegründet. Dieser Humanitätsverein verfolgte den Zweck, unseren Glaubensgenossen im genannten Lande durch Schaffung von Kleinindustrie Arbeit und Verdienst zukommen zu lassen und die kulturellen Verhältnisse zu bessern. Da der Sitz der Zentrale sich in Wien befand, wurden nach dem Umsturz alle Ortsgruppen in der CSR. aufgelöst. Obmann der Ortsgruppe, die eine der größten im alten Österreich war, war von der Gründung bis zur Auflösung Rb. E. H o f-ma n n. An der Stärkung des Interesses am Judentum haben die Logen einen großen Anteil. Sie fördern mensch, liehe und jüdische Ideale. Die älteste Loge in R. ist die „Philanthropia". Diese Zweigloge des Weltbundes B'nai B'rith wurde am 12. September 1894 eröffnet. Da die Bezeichnung „Loge" im alten Österreich verboten war, nannte sich die „Philanthropia'' gleich ihren Schwesternlogen „Isr. Humanitätsverein". Der erste Präsident war kais. Rat Alfred Deutsch, im Vereinsjahre 1932 ist es Leo L e w it u s. Ing. Rud. T e 11-scher bekleidete die Würde eines Groß-Vizepräsi-denten. Diese Loge hat sich auch um die Allgemeinheit verdient gemacht. Die Gründung einer Mädchenfortbildungsschule, aus der das spätere Lyzeum und dann das Mädchen-Reformrealgymnasium hervorging, war den Bemühungen der Phüanthropia zu verdanken. Auf ihr Betreiben wurde entsprechend dem Antrage des Rb. E. Hofma n n das jüd. Schwachsinni-genheim in Hloubětín bei Prag errichtet. Vor dem Kriege veranstaltete die Loge -Vorträge, zu denen auch die Gemeinde eingeladen wurde. So hielten außer Rb. E. Hofmann solche öffentliche Vorträge die Professoren Hermann Cohen, Ludwig Geiger, Moritz L a-z a r u s, Franz Oppenheimer, ferner die Schriftsteller Gustav K a r p e I e s, Adolf Kohut und Hugo Salus. Dadurch bot die „Philahthropia" der breitesten Öffentlichkeit Gelegenheit, jüdischen Koiyoliäen zu lauschen. Diese Vorträge haben das geistige Leben der Gemeinde befruchtet. Im J. 1909 wurde die Reichenberger Loge des Bruderbundes „Hort" gegründet. Ihr erster Obmann war Salomon Glückauf. Gegenwärtig steht Ing. Otto Eisenschiml an ihrer Spitze. Im J. 1920 öffnete die Loge „Société" ihre Pforten. Ihr erster Obmann war Dr. Rud. König st ein. Seit 1930 steht Fritz L ö w y an ihrer Spitze. Die Zentrale der Logen befindet sich in Prag. Sowohl der „Hort" als auch die „Société" pflegen intensiv die brüderliche Hilfe. An allen 3 Logen bestehen Schwesternvereinigungen, die die Arbeiten der Logenbrüder fördern und ergänzen. Verhältnismäßig spät trat der „Zionistische Volks-verein Theodor Herzl" auf den Plan. Er wurde erst 1908 ins Leben gerufen. Sein erster Obmann war Dr. Hugo Reich mann. Gegenwärtig steht Ing. Erwin Schwarzkopf an seiner Spitze. Als Kommissär für den Nationalfond fungiert Willi. Weis ,s. Mit Fug erblickt tler Verein in Emil Deutsch seinen getreuen Eckhart. Der Volksverein, der viel zur Befestigung des jüd. Bewußtseins beitrug, gewann in R. nur schwer an Boden. Wenn es ihm auch nicht beschieden war, einen Aufschwung zu nehmen, so muß ihm Genugtuung gewähren, daß die Idee, in deren Dienste er steht, immer siegreicher vordringt. Namentlich bricht sich der Gedanke, daß der Aufbau Palästinas nicht mehr Parteisache, sondern eine allgemeine jüd. ___„~—n——-<- "«-? uu.uw mi-iu -uaini. ju ivunmen aie verschiedensten Werbeaktionen, die Sammlungen für den Keren Hajessod und andere Fonde einen großen Erfolg aufweisen, denn diese Werbefeldzüge erfaßten auch die meisten Nichtzionisten. Eine Ortsgruppe der „Landesorganisation jüd. Frauen", „IFfzo", wurde im J. 1927 gegründet. Im Rahmen des Weltverbandes steckt sie sich das Ziel, jüdische kulturelle und soziale Arbeit zu leisten, den Zusammenschluß jüd. Frauen und Mädchen anzustreben und insbesondere durch werktätige Mithilfe die Aufbauarbeit in Palästina, die dortigen Säuglings-Kin-der-, namentlich Mädchenheime und Erziehungsanstalten usw. zu fördern. Die Ortsgruppe ist in kürzester Zeit ein bedeutsamer Faktor des jüd. kulturellen und sozialen Lebens geworden. Vorsitzende ist seit der Gründung Frau Eugenie Hofman n. Die jüd. Renaissancebewegung hat ihr Augenmerk auch in R. auf die körperliche Ertüchtigung gerichtet. So entstand im J. 1922 der jüd. Turn- u. Sportverein: „Makkabi". Erster Obmann War Dr. Franz Kraus. Seit 1930 steht Robert Wassermann an seiner Spitze. Fast alljährlich tritt der Verein „Makkabi" mit wohlgelungenen turnerischen Veranstaltungen vor die Öffentlichkeit. Anläßlich der Zehnjáhrbestanidesfeier, die in größerem Rahmen begangen wurde, gab der Verein eine gedruckte Festschrift heraus. ■ Ungemein erfreulich ist es, daß es in R. gelungen ist, auch die jüd. Jugend, die Träger unserer Zukunft, zu organisieren. Es bestehen zwei Jugendvereinigungen. Der bedeutend ältere, der „Jüd. Wanderbund Blau-Weiß" (Techeleth Lawan) wurde im J. 1912 gegründet. Er hat verschiedene Phasen durchgemacht. Ein Großteil der jüdisch bewußten jüngeren Generation ist aus seinen Reihen hervorgegangen. Den jungen Führern im Bunde steht ein Elternrat zur Seite. Der im J. 1931 von Rb. E. Hof mann ins Leben gerufene „Bund jüdischer Jugend (Berith Hanoar)" hat: schon in seinem kurzen Bestände seine Lebensfähigkeit bewiesen und nimmt einen verheißungsvollen -Aufstieg. Die in ihm vereinte männliche und weibliche Jugend .sucht ihr jüd. Wissen zu vertiefen und sich mit allen Arten der jüd. Problematik vertraut zu machen. Der erste Obmann war Walter Schütz. Alle, diese Vereinigungen leisten viel zur Weckung und Kräftigung des jüd. Interesses. Juden in nichtjüdischen Körperschaften. Die Gemeindemitglieder gingen auch am öffentlichen Leben nicht teilnahmslos vorüber. Es drängte sich niemand zu einem Amte oder zu einer Ehrenstelle. Wer aber zu solchen berufen ward, setzte freudig seine Kraft und sein Können in den Dienst der Allgemein-" heit. Als Vertreter der K. G. gehörte Moritz R o s e n-bäum dem städ't. Ortsschulrate an. Als dieser auf-' gelöst wurde und an seine Stelle im J. 1874 der k. k. Bezirksschulrat der Stadt R. trat, stand vermöge ihrer Seelenzaihl der K. G. das gesetzl. Recht zu, einen Vertreter in diese Körperschaft zu entsenden, der dort Sitz und Stimme hatte. Diesem Bezirksschulrate gehörten als Vertreter der isr. Religionsgesellschaft an: Wilh. Winterberg bics 1878, Sigm. Liebitzki 1878 bis 1889, Heinr. Lang stein 1889—1900; Rabb. Prof. Dr. E. Hof mann 1900—1910, Dr. Wilh. Schnürmacher 1910—1916, und Dr. Wilhelm Fleischer 1916—1920. Seit den siebziger Jahren gehörte fast in jeder Wahlperiode ein Jude dem Stadt-ver.ordnetenkollegiuni an. Im J. 1919 wurde Guido Knina aus der sozialdemokratischen Partei in den Stadtrat gewählt und verblieb darin .4 Jahre. Juden 564 wurden auch zu Laienrichtern ernannt und zu Räten der Handels- und Gewerbekammer berufen. Jahrzehnte hindurch hatte kais. Rat Alfred D eu t seh als Handelskammerrat eine rege Tätigkeit entfaltet. Als im J. 1884 das Stadtverordnetenkollegium einen Gesundheitsrat ins Leben rief, der ihm und dem Magistrate in allen hygienischen Fragen zur Seite stehen sollte, wurde in denselben auch der Gerichts-, Gefangenhaus-, Bahn- und prakt. Arzt Dr. Karl K o h n berufen. Im J. 1864 gründete er in R. auch für Heilzwecke eine zeitgemäß eingerichtete Badeanstalt. Damals bestand in R. nämlich nur das 1817 errichtete Wilhelmsbad, an der Gebirgsstraße gelegen. Dieses reichte bei einer Bevölkerung von 20.000 Seelen nicht aus, zudem lag es entfernt und war in der Ausstattung etwas zurückgeblieben. Trotzdem gedieh das Unternehmen von Dr. Kohn nicht und er mußte es nach 4 Jahren auflassen34). Wir können nicht alle Persönlichkeiten, die verdienstvoll für die Allgemeinheit wirkten, erwähnen. Wir gedenken nur jener, die in führender Stellung sich bewährten und bewähren. Da ist in erster Reihe der Fabrikant Alois Neumann zu nennen. Erst Vizepräsident, dann von 1896 bis zu seinem Hinscheiden im J. 1914 Präsident der Handels- u. Gewerbekammer in R., wurde er ins Herrenhaus berufen. Er genoß das höchste Ansehen beim. Kaiser sowohl, der ihn öfter durch hohe Orden auszeichnete, wie auch bei der Bürgerschaft. Das letzte große Zollgesetz in der früheren Monarchie, das Institut der Gewerbeförderung, die Umgestaltung der Webereischule in eine Fachschule für Textilindustrie und die Errichtung des Gebäudes, in dem diese untergebracht ist, waren sein Werk. Der Fabrikant Rud. TéTtscher, der als anerkannter Wirtschaftsführer in vielen Körperschaften wirkte, war Vizepräsident der Handels- u. Gewerbekammer. Kom.-Rat Hugo Fan 11 jst seit mehr als einem Jahrzehnt als. Vorsteher-Stellvertr. des Handelsgremiums erfolgreich tätig. Die Darstellung der Geschichte der K. G. uiid ihrer Vereine erstreckt sich bis Ende 1932. Zum Sprengel der Kultusgemeinde R. gehören auch die pol. Bezirke R., Friedland und D.-Gabel. FRIEDLAND. Berühmt wurde diese Stadt durch Wallenstein, der das Herzogtum Friedland begründete. Viel früher als in R., nämlich schon unter den Bibersteins wohnten Juden in F. 1505 wurde der Jude Mayer in F. beschuldigt, Diebsgut gekauft zu haben. 1535 verklagte Mer-ten Taupmann v. Zwickau den Juden Kolmann in F. Bei den Magdehurgern wegen zwei Fuhren von Frankfurt a. O. nach Leitmeritz. Kolmann .sollte für die Tonne mit Heringen 7 Schillinge Fuhrgeld zahlen, leugnete aber, etwas schuldig zu sein. Auf die Aussage zweier Zeugen, von denen der eine aus Langenau und der andere aus Alt-Leipa war, erkannten aber die Schoppen 1536 die Beweisführung Taupmanns an und verurteilten den Juden zur Zahlung von 20 Schock Fuhrlohn, 20 Schock Schadenersatz und Tragung sämtlicher Kosten. (Magdeburger Schöppensprüche im Görlitzer Ratsarch.) Im Friedländer Stadtbuch (Lit. Alois Neumann L. S. 293) befindet sich folgende Eintragung: „Nachdem Isaac Juda Göldscheider in gned. Vergunst und Consens des Wohlgeb. Herrn Christof Herrn von Redern der alten Hans Scliindlerin Haus in der Obervor-stadt samt dem Plan gekauft, solches aber ungebauet stehen gelassen, darauf dann an Steuern, Baren und Erbegeldern bereits ein Merkliches uffgegangen, welches der Ehrenfeste und Wohlgelahrte Herr Friede-ricus Dallus, N. B. und Sekretárius zum teil neulioher Zeit dem Herrn Bürgermeister und Richter gutgemacht uns ausbezahlet, gedachter Jude aber in Erwägung künftiger mehrerer Beschwerden und täglich auflaufenden Interessen subdato- Prag, den 26. Jan. nechstverflossenem, gedachtes Haus und Plan gedachten Herrn Sekretario cediert und Vermöge eines schriftlichen Schein unter des Herrn David Heynes, Hauptmann in R., Herrn Georg Knobloch Rentschreibers Handt ganz zumal übergeben. Als hat auch günst. Ratifikation etc. etc. am 24. März 1624 oftbemelter Herr Sekretarius in Kraft angeregter Cession solches Haus Plan und Garten hinwieder ,weil der Schindlerin Erben bei Gericht losgeben' verkauft dem Ehrbaren Kaspar Fuchsen allhier zu F. und 110 Schock." Daraus geht hervor, daß Anfang des 17. Jhts. ein Jude in F. ein Haus, wenn auch nur kurze Zeit, besessen hat. Unter Wallensteiüs Regierung war die Ansiedlung von Juden noch sicherer gewährleistet. Das nachstehende Gesuch ist in manchem Betrachte sehr lehrreich. Es gibt auch darüber Aufschluß, warum in mancher Stadt nur ein einziger Jude wohnte, der sich doch in der feindlichen Umgebung ganz isoliert fühlen mußte. Hier erfahren wir, daß ein Jude selber es verlangt, allein das Wohnrecht zu erhalten, weil, wie aus dem Gesuche hervorgeht, er befürchtete, für andere Juden haftbar gemacht zu werden und dadurch Schaden zu erleiden. Die Bittschrift verdient es, im Wortlaut veröffentlicht zu werden. Suplication Moyse Jacob Judens zu Fridland. 16. Juni 1627. Hoch — unncl wolgeborner Herr, Herr etc. Gnediger unnd gebietender Herr Landeszhaupt-mann. Euer Gn. wünsche von dem getrewen undt al'l-mechtigen Gpit ich alle gedeiliche Laibes unndt er-sprieszliche der Seelen Wolfarth. Undt khan Ewer Gn. dehmütigst nit bergen, wie dasz ich gesinnet, mit meinen Waib undt Kindt in der Stadt Friedlandt zue wohnen undt allda mich uffzue-halten. Alsz wirdt von mir blosz nur wegen der Woh-nungk begehrett ieden Monath zue 1 fl. abzuelegen, wann dann gnedigster Herr, mir solches zuerlegen unmöglichen undt aniétzo schwere undt teure Zeit ist. Alsz ist hiermitt an Ewer Gn. mein gehorsambes Biet-ten, Ewer Gn. die gnedige Anordnungk thuen wollen, darmitt esz gelindert, undt ich bey laidlicher Zahlungk verblaiben möchte. Ferner ist auch an Ewer Gn. mein gehorsambes undt dehmütigesz Bietten, wailn ich gemelter Stadtt Friedlandt handeln undt wandeln will, Ewer Gn. mir solches g. vergünstigen undt mir unten benendte Puncta undt Freyheiten ausz Gnaden erthailen benentlicheiv. Alle Handel undt Wandel mitt offenen Laden wie esz breüchigk zue halten, frey schachten für mein eigen H a u s z prendte Wain von der Bürgerschaft, welche ihr brennen, oder von Ihr Gnaden Herrenn Maximilian Deputirten zue khauffen undt hien-wiederuinb frey zueverkhauffen, jedoch was andere geben deszwegen zu zahlen. Item, dasz k h a i n anderer frembder Judt auszerhalb mich möchte in gemelter Stadtt Friedlandt handeln und wandeln, Schuldt machen, auff 565 üeichenberg 37