In der Eingabe heim es: ,,ivi.it xiucKsicnt aur aen Kriegszustand, in dem sich unser geliebtes Vaterland befindet, sind viele Mitglieder unserer Gemeinde zu den Waffen berufen worden. Nachdem sie treu ihre Vaterlandspflicht erfüllen, geht es nicht an, sie um ihr aktives und passives Wahlrecht zu bringen." Die Statthalterei überließ die Entscheidung der Bezirks-hauptmannischaft, die das Ansuchen genehmigte. Da die Wahlen bis zum Friedenschluß verschoben wurden, amtierte der Vorstand von 1911 bis 1919, also durch volle 8 Jahre. Eine Fülle von Arbeit und Sorge stürmte auf die Gemeinde ein. Um sie systematisch und wirksam zu gestalten, schritt man vor allem an die Bildung eines großen Fürsorgeausschusises, dessen Obmann Alois Soudek und Kassier Sigmund Meiler war. Letzterer leitete auch die Bekleidungsaktioii und war auch sonst unermüdlich tätig. Naturgemäß gehörten auch der Rabbiner und Kultusvorsteher dem Fürsorgeausschuß an. Auch als dieser später staatlich wurde und nach dem Eintritt Italiens in den Weltkrieg auch 100 Ladiner mit ihrem Pfarrer unter seine Obhut nahm, verblieb Alois Soudek an seiner Spitze. Gleich nach Kriegsausbruch veranstaltete der Kultusgemeindevorstand Sammlungen, deren Ergebnis den Angehörigen der Einberufenen zugute kamen. Bald ergoß sich aus dem Osten ein Strom von Flüchtlingen. Sie stammten aus den evakuierten Gegenden Galiziens und der Bukowina, der überwiegende Teil aus Debiga. Die Unglücklichen, die Haus und Hof verlassen mußten, fühlten sich hier nicht fremd. - Denn sie fanden bei den Glaubensbrüdern, wiewohl diese religiös einer freieren Auffassung huldigen, liebevolle Aufnahme. Schon am Bahnhof wurden sei bei ihrem Eintreffen warm begrüßt. Auch die christliche Bevölkerung, von Mitleid für ihr Schicksal erfüllt, begegnete ihnen teilnahmsvoll und freundlich. Der Leiter der Bezirkshauptmannschaft, Statthaltereirat Victor Ritter v. Steffek, hatte volles Verständnis für die bedauernswerte Lage der Flüchtlinge und die Gemeinde fand in ihm einen bereitwilligen Beraiter. Für sie bildet die Fürsorge für die Kriegsflüchtlinge ein Ruhmesblatt. Diese wurden in verschiedenen Privatquartieren untergebracht, aber auch in mehreren Ubikationen in R., sowie in den benachbarten Ortschaften Ruppern-dorf, Hanichen, Maffersdorf, Franzendorf und in Gemeinden des Friedländer und Deutsch-Gabeler pol. Bezirkes, konzentriert. Für die Ubikationen in R. und Umgebung wurden als Inspektoren Josef Ábeles, Karl Deutsch, Ludwig E tl e 1 s t e i n, Josef Fleischer, Dr. Konrád Perutz, Leopold Stern-s c h u s s, Max Spitz, Eduard S t i a s n y und Gerson Schnür mach er bestellt, Mrelche ihre Schutzbefohlenen unverdrossen und liebevoll betreuten. An anderen Orten des Gemeindesprengeis machten sich um die Kriegsflüchtlinge namentlich Rudolf E i s n e r, ür. Rudolf Feig und Siegfried Freund in D. Gabel und Dr. Karl Winternitz in Friedland sehr verdient. Für die Frauen der Flüchtlinge richtete die Firma Teltscher & Löwy in Röchlitz eine Entbindungsanstalt ein. Auf Anregung und unter Leitung der Rab-binersgattin Eugenie H o-f m a n n wurde eine Nähstube errichtet, in der nahezu 100 Frauen und Mädchen Verdienst fanden. Wertvoll war auch die moralische Wirkung dieser Arbeit. Der Leiterin stand ein rühriges Damenkomitee zur S/eite. Fürsorgeausschuß und Rahbinat hatten mit den vielen Interventionen bei der Behörden, letzteres auch mit tlen nachträglichen, weltlichen Trauungen und Legitimierungen der aus rituell geschlossenen Ehen entsprungenen Kinder vollauf zu tun. Für die verwundeten Soldaten, sowie beim roteu lVreilZ UI1U als JL.ajJoua.mcn wctioii x-ioucu uiiiÄin ui,- meinde rastlos tätig. Ludwig Edelstein, sowie die Fa. S. S. Neumann errichteten Hilfsepitäler.' Auch für die religiösen Bedürfnisse der jüd. Angehörigen der Garnison wurde gesorgt. Über 400 jüd. Soldaten und zahlreiche Offiziere des 44.' Reg., das seinen Kader in Kaposvár, Ungarn, Somogyer Komitat hatte, wurden nach R. transferiert. Für sie wurden im Tempel Predigten in ihrer Muttersprache gehalten. Auch für die übrigen jüd. Soldaten, wie auch für die Verwundeten hatte die Gemeindeverwaltung Sederabende veranstaltet. Für sie gestaltete sich auch die Mazzothbe-schaffung für die Gemeindemitglieder von Jahr zu Jahr schwieriger. Auch das Rabbinat stand vor neuen seelsorgerischen Aufgaben. Die russischen Kriegsgefangenen im Berzdorfer Lager sowohl, wie auch in Deutsch-Gabél wurden seelsorgerisch betreut. In der ersten Zeit befanden sich in der Nähe R. über 1000 jüd. Kriegsgefangene, von denen etwa 150 zurück-blieben, da die übrigen auswärts als landwirtschaftliche Hilfsarbeiter Verwendung fanden. Im Kriegsgefangenenlager zu D. Gabel befanden sich etwa 120 Glaubensgenossen. Überall hielt der Rabbiner allmonatlich Predigtgottesdienste ab und veranstaltete in der Berzdorfer Baracke auch einen Sederabend. Im letzten Jahre durften die meisten Kriegsgefangenen an den hohen Feiertagen am Gottesdienste der Gemeinde in der Synagoge teilnehmen. Für die Wachmannschaft, wie auch andere fremde Glaubensgenossen wurde mitunter auch im Sitzungssaale des Tempels ein Filialgottesdienst eingerichtet. Die Gemeinde als solche sowohl, w:e auch alle einzelnen Mitglieder beteiligten sich, weit über ihre Verhältnisse, an der Zeichnung der verschiedenen Kriegsanleihen. Die nach dem Umstürze lancierte Idee, einen jüd. Nationalrat zu bilden, löste heftige Debatten aus und wurde nicht verwirklicht. Das Rabbinat. In seelsorgerischer Beziehung unterstand die K. G. bis zum J. 1880 dem Jungbunzlauer Kreisrabbinat, dessen Unterhaltsbeitrag durch die pol. Behörde von den Gemeiiitdemitgliedern auf Grund der landesfürstl. Steuern erhoben wurde. Der letzte Krb. war Dr. Isaac E 1 b o g e n. Er hat sich auch um die Bildung der hiesigen K. G. durch seine selbstlose Mitwirkung verdient gemacht. K. V. Liebitzky beteiligte sich in Jungbunz-lau gemeinsam mit einer Abordnung in Vertretung der Gemeinde an den Ovationen, die dem scheidenden Kreisrahbiner erwiesen wurden. Bis zur gesetzlichen Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der Gemeinden im J. 1890 war die Stellung des Rabbiners in Böhmen eine privatrechtliche. Deshalb bestimmt noch der § 32 des 1. Gemeindestatuts: „Die Stellung des Rabbiners wird in jeder Beziehung durch den, mit demselben im einzelnen Falle abzuschließenden Privatvertrag bestimmt." Dies galt übrigens auch für alle Kultusbeamten. Die durch das erwähnte Gesetz geschaffene öffentliche Stellung des Rabbiners gelangt auch im neuen Gemeindestatut zur Anerkennung. In der langen Zeit, in der noch kein Rabbiner amtierte, wurden hin und wieder Kanzelvorträge im Bethause von auswärtigen Seelsorgern gehalten. So hielt u. a. Dr. Ehrentheil aus Hořitz im J. 1874 eine Predigt, wofür er ein Honorar von 5 Dukaten erhielt. Die wenigen Trauungen, die vorkamen, vollzog zumeist der Kreisrabbiner. Vereinzelt fungierten aber auch Jakob Haller aus .Karolinenthal, Adolf Ehrentheil aus Hořitz, Flaschner und Dr. Joel Müller aus Böhm. Leipa, Eisner aus Neubidschov. Soweit bekannt ist, haben vor der Konstituierung" der K. G. Trauungen lleiclunberg Sä 560 Rb. Salomon Pollak Rb. Dr. Adolf Posnanski Rb. Prof. Dr. Emil Hofmanu vollzogen: Abraham Grünfeld, Krb. in Jičin, Markus Goldmann und Jakob Zeckendorf in Litten. Der erste Rabbiner in R. war Salomon Pollak. Geb. im J. 1811 zu Leipnik, war er Direktor der jüd. Musterhauptschule in Wag-Ujhely. Er ward 1869 nach R. als Religionslehrer berufen, legte dann die Rabbinats-prüfung ab und erhielt vom Kreisrabbiner Haller die Approbation. Hierauf wurde er im J. 1877 von der Gemeinde als Rabbiner bestellt und als solcher von der Statthalterei bestätigt. Er bekleidete sein Amt bis 1889 und starb im Ruhestände am 5. Juni 1895 im Alter von 84 Jahren. Um das erledigte Amt meldeten sich 14 Bewerber. In die engere Wahl kamen Dr. Sieg-mund F e s s 1 e r, Rabb. in Landsberg a. W., später in Halle a. S., und Dr. Adolf Posnanski. Die Wahl fiel auf den letzteren. Aus Rußland gebürtig, trieb er bis zum 18. Lebensjahre talmudische Studien, studierte dann in Paris und Breslau Theologie und Philosophie. Die Rabbinatsauitorisation erhielt er am jüd. theolog. Seminar in Breslau. Verfasser des exegetischen Werkes „Siloh", amtierte er in R. 3 Jahre, von 1889 bis 1891, ging dann als Rabbiner nach Pilsen und wurde etwa ein Jahrzehnt später Religionslehrer am Gymnasium in Wien, wo er am 8. Oktober 1920 im 68. Lebensjahre starb und in einem Ehrengrabe bestattet wurde. Nach ihm versah interimistisch ein halbes Jahr das Rabbinat der Rabbinatskandidat Dr. Julius* Reach, später Rabb. in Raudnitz, Gaya, Prag, während nach seinem Abgang den Religionsunterricht an den Mittelschulen Dr. Mor. Grünwald, Rabb. in Jungbunzlau erteilte. Um die ausgeschriebene Stelle liefen 29 Bewerbungen ein. Fünf Bewerber hielten Probepredigten. Gewählt wurde Dr. Emil Hofmanu, der seit 1892 Rabbiner in R. ist. Die Verwaltung. Der Kultusgemeindevarstand bestand erst aus 5, dann aus 7 und dann bis zum J. 1896 aus 12 Mitgliedern. Ein wichtiges Organ der Gemeindeverwaltung war bis zu diesem Jahre die Generalversammlung. Diese wählte den Rabbiner, Kantor uiiid Lehrer, sowie auch den Vorstand, und war für alle Gemeindeange-legeuheiten das entscheidende Forum. Auch konnte sich in der Generalversammlung jedes Gemeindemit-glied offen und rückhaltlos aussprechen. Und wenn auch manchmal die Geister heftig aufeinander stießen, blieb doch das Interesse an der Gemeinde durch diese Einrichtung wach. Im J. 1896 wurden als beratende und beschlußfassende Organe der K. G. ein aus 14 Mil gliedern bestehender Kultusgemeindevoratand und ein verstärkter Kultusgemeindevorstand gebildet. Dieser besteht aus den Mitgliedern des engen Vor- Siesmund Liebitzkv Leopold Löwy Heinrich Langstein Dr. IVilhelm Schnürmacher Dr. IVilhelm Fleischer Dr. Leo Langstein (dz. K.-V.) Standes und aus einer ebenso großen Anzahl (also 14) von Vertrauensmännern, als der Kultusgemeindevorstand Mitglieder zählt. Eduard Soyka, Jos. Lažansky und Jos. Pollak gehörten über 35 J. dem Gemeinde-Vorstände an. 501 Ileichenlterg XS