Walkzins, den Wollgroschen, den Bezug der herrschaftlichen Wolle, die Webstuhlgelder usw. mit der Zeit immer geringer. Der verhältnismäßige Anteil der verteuerten Wolle am Gesamtverbrauch sank dauernd." Hawelka operiert auch nicht mehr mit dem portugiesischen Juden. Er ist der Erste, der ihn unerwähnt läßt, doch hoffentlich nicht der Letzte. Die Analyse der Quellen, sowie die psychologischen Erwägungen steigern es bis zur Evidenz, daß die Darstellung, als wäre der Wollgroschen eine jüdische Erfindung gewesen, eine, wenn auch verhältnismäßig kleine Geschichtslüge ist, die nun gänzlich verschwinden sollte. Die Kultusgeineimle (1861-1932). Die Neuzeit brachte mit Anbruch des 7. Jhzts..des vorigen Jhts. für die Juden drei köstliche Errungenschaften: Freizügigkeit, Gewerbefreiheit und gesetzliche Gleichberechtigung. Unter diesen günstigen Auspizien nahmen im J. 1861 ungefähr 30 jüd. Familien in R. ihren bleibenden Aufenthalt. Zur Befriedigung ihrer religiösen Bedürfnisse beschlossen sie alsbaldi, sich zu einer K. G. zu vereinigen und vor allem für die zwei unentbehrlichsten Attribute einer solchen zu sorgen, für Gottesdienst und Gottesacker. Die vorbereitenden Arbeiten wurden einem aus fünf Glaubensgenossen, Jakob Spitz, Seligmann Taus-s i g, Siegmund' Liebitzky, Josef Kraus und Jakob Strenitz bestehenden Komitee übertragen. Als eigentlicher Gründer der K. G. kann Jakob Spitz, Inhaber der bereits erwähnten Garküche und Abkömmling von Eleasar Fleckeles und Sohn des Kreisrabbiners Isaac Spitz in Jungbunzlau gelten. Um die behördliche Bewilligung zur Bildung einer K. G. zu erwirken, wurden am 8. April 1862 die Statuten eingereicht. Diese wurden aber von dier Statt-halterei, wiewohl sie mit der Bildung einer Gemeinde grundsätzlich einverstanden war, nicht bestätigt, und zwar mit dem Hinweis auf eine zu erwartende allgemeine Kultusordnung. Die Statthalterei nahm übrigens bei allen Anlässen den Standpunkt ein, daß es nur in Prag, nicht aber auf dem Lande eine gesetzlich anerkannte isr. K. G. gibt. Die gewährleistete freie Religionsübung schloß die staatliche Anerkennung einer K. G. noch nicht in sich. Deshalb konnte in R. erst ein Kultusverein entstehen, der sicTTnun auf Grund des Vereinsgesetzes am 1. Feber 1863 konstituierte. Die Mitglieder des prov. Komitees wurden nun auf drei Jahre zu Vorstandsmitgliedern gewählt und aus deren Mitte ging die Wahl von J. Spitz als ersten Vorsitzendien hervor. An die" Errichtung eines eigenen Gotteshauses konnte aus Mangel an Mitteln vorderhand nicht gedacht werden. Es konnte nur ein gemietetes Bethaus in Betracht kommen. Das erste befand sich im gemieteten Lokale des Friedrich Knoll, Röchlitzerstr. Nr. 2, N. C. 116/IV und wurde schon am 4. September 1861 als am Vorabend des jüd. Neujahrsfestes im Beisein der eingeladenen Spitzen der Behörden, des Dechantes P. Ign. Frank und vieler Honoratioren, feierlichst eingeweiht. Die „Reichenberger Zeitung'" brachte darüber die kurze Notiz: „In dem neu eingerichteten jüd. Bethause wurde zum ersten Mal, und zwar zur Feier des angehenden jüd. Neujahrs Gebet abgehalten." Die Kosten für die Einrichtung dieses Bethauses wurden durch eine Anheihe per 2760 fl. aufgebracht. Sie wurde als 276 Schuldverschreibung a 10 fl. durch alljährlich vorgenommene Verlosung zurückgezahlt. Da die Gemeinde immer größer wurde und' beinahe auf 90 Familien anwuchs, erwies sich dieses Bethaus als zu klein. Obendrein war die Temperatur namentlich an den hohen Feiertagen durch die unter dem Betsaale befindliche Tuchpresse unerträglich. Daher wurde das Bethaus in das im Bau begriffene Haus dies Eduard Elger, Friedländerstr. 10, N. C. 241/1, verlegt. Zwei Stockwerke wurden mit 1. Oktober 1870 zunächst auf 10 Jahre mit einem jährl. Mietzins von 750 fl. gemietet und mit einem Aufwand von mehr als 4000 fl. ö. W. adaptiert. Da das Gemeindevermögen zur Bestreitung dieser Auslagen nicht hinreichte, wurden Schuldien kontrahiert, zu deren Tilgung sämtliche für Tempelzwecke gewidmeten Spenden verwendet wurden. In diesem Bethause waren im unteren Räume 104 Männer- und auf dier Galerie 104 Frauensitze angebracht. Das erste Musikinstrument, dessen man sich beim Gottesdienste bediente, war ein gemietetes Harmonium. Es wich dann einer vom Felgenhauer Scharf erworbenen Orgel, die beim Baue des Tempels um den Preis von 700 fl. und einer schweren Thorarolle nach Münchengrätz wanderte31). Nahezu zwei Jahrzehnte hindurch wurde in diesem gemieteten Bethause die Andacht verrichtet, bis der langgehegte und übermächtig gewordene Gedanke, ein eigenes würdiges Gotteshaus zu bauen, Verwirklichung fand. Der Tempel. Eine Zierde der Stadt, erhebt sich in einer hochgelegenen Straße, der im Stile der Frührenaissance gehaltene, mit einer Kuppel gekrönte Tempel. Die erste Anregung zum Bau desselben gab im J. 1875 Wilhelm Winterberg, der darüber eine Denkschrift vorlegte. Er war auch dier erste, der zum Bau-fonde einen ansehnlichen Betrag spendete. Es hat lange gewährt, bis diese Anregung in die Tat umge- Tcmpel (Außenansicht). setzt wurde. Erst 1883 wählte die Generalversammlung ein unter der Obmannschaft von Josef L a ž a n-s k y aus 15 Mitgliedern bestehendes Komitee, dem die Lösung der Frage des Tempelbaues und alle Heichenberg 2fí 554 dazu, erforderlichen Vorarbeiten obliegen sollten. Das Komitee entwarf bald einen Aktionsplan, wonach das Baukapital durch Subskriptionen, Verkauf von Tempelsitzen und durch eine größere Anleihe aufzubringen wäre. In kurzer Zeit vermochte es dem Vorstande 43.928 fl. zu übergeben, wovon 38.873 fl. aus Sammlungen stammten. Bemerkenswert ist, daß nahezu ein Drittel der Spenden von hiesigen andersgläubigen Mitbürgern herrührte. Das Vertrauen, dessen sich die Gemeinde bei ihnen erfreute, zeigte sich auch darin, daß ein Teil der später herausgegebenen Obligationen bei ihnen plaziert werden konnte. Während das Baukomitee seine Vorarbeiten traf, blieb auch der Kultusvorstand nicht müßig. Über An- Tempel (Innenansicht) regung des K. V. Siegm. Liebitzky wurde in der Generalversammlung vom 25. September 1884 das an der Lerchenfeldstraße gelegene, der Frau Agnes Hübner gehörende, 8764 Qu. Klft. messende Grundstück, das im Zentrum der Stadt gelegen, vermöge seiner hohen, freien Lage für die Aufführung eines Monumentalbaues besonders geeignet erschien, um 17.000 fl. für die Gemeinde erstanden. Es war eine glückliche Hand, die bei diesem Ankauf waltete, ein Platz, wie kaum ein zweiter geeignet, die Vorbedingung für eine befriedigende Lösung der Baufrage zu erfüllen. Die Ermöglichung einer Umfahrt des Tempels, sowie unabweisliche Rücksichten auf die monumentale Wirkung des Baues, machten den Ankauf eines Teiles des Schieflerischen Nachbargrundes, der um 5000 fl. erworben wurde, sowie die Aufführung einer ungewöhnlich starken Stützmauer notwendig. Sie verursachte einen Kostenaufwand von mehr als 13.000 fl. Hiedurch wurde der etwaigen Verbauung dieser Seite vorgebeugt und ermöglicht, den freien Platz zu einer Gartenanlage umzuwandeln. Nun wurde die Bildung zweier selbständiger Sektionen nötig, eines Baukomitees, das die Beschaffung der Pläne, die Vergebung der verschiedenen Arbeiten zu beraten, wie auch den Bau zu beaufsichtigen hätte, ferner eines Finanzkomitees, dem die Aufgabe zuge- dacht war, für die Bedeckung des noch fehlenden Teiles des Baukapitals zu sorgen. Die Gemeinde berief in das Baukomitee: Josef Pollak (Obmann), Dr. Wilh. Hersch, J. L. Knina, Obering. Moritz Lemberger, Fabriksdirektor Hermann Nettl, Siegmund Weil. Das Finanzkomitee wurde gebildet aus den Herren: Heinrich Langstein (Obmann), Josef Lažansky, Heinrich Pollak, Sal. Polaček, Max Schnabel, Dr. Ign. Ulimann. Zwei namhafte Architekten, Max Fleischer und Prof. Carl König, beide in Wien, folgten einer Einladung nach R. Beide reichten nach ihrer Heimkehr Baupläne ein. Auf Empfehlung der Sachverständigen entschied man sich für den Plan des Prof. König, der mit dem Bau betraut wurde. Sämtliche Detailpläne stammten aus seinem Atelier. Die Bauaufsicht besorgte Arch. Daud, Prof. an der Staatsgewerbeschule in R. Sämtliche Tischler-, Schlosser-, Klempner- und andere Arbeiten wurden durchwegs an Reichenberger Firmen und Handwerker vergeben. Zur Verwendung gelangte vorwiegend das beste Material. Dies gilt auch für die Bänke. Die Steinmetzarbeiten betrugen fast die Hälfte der gesamten Bausumme, die sich auf 149.775 fl. belief. Die Gesamtkostensumme des Tempels, der 250 Männer- und ebenso viele Frauensitze, sowie einen Winterbetsaal und Sitzungssaal enthält, mit Luftheizung versehen ist, gliedert sich wie folgt: Baugrund sammt Stützmauer und Be- "• k'"- räumung...... . ... 37.468 79 Herstellungskosten des Gebäudes . . 77.069 09 Kosten der innern Einrichtung .■ . . 19.600 66 Verschiedene unvorhergesehene Auslagen .......... . 9434 44 Kosten der Einzäunung . . . . . . . 3805 26 Kosten der Heizungsanlage .... 1698 47 Kosten der Gartenanlage ..... 698 50 Summa . . . 149.775 21 Die Bedeckungssumme setzt sich aus folgenden Posten zusammen: An Tempelbaufond pr. 31. December "• k'- 1887..........17.911 01 An Sammlungen des Tempelbaucomités bis 31. December 1890.....43.808 — An von der Beerdigungsbrüderschaft dier israelitischen Cultusgemeinde . 5500 — An von dem Frauenvereine der israelitischen Cultusgemeinde..... 2000 An vom Pensionsfond der israelitischen Cultusgemeinde ........ 2000 — An aufgenommenes, in Annuitäten rückzahlbares Sparcassaanlehen .... 40.000 — An ausgegebene Schuldverschreibungen 30.000 — An Sammlungen z. innern Ausschmük- kung . . ■........ 560 21 An laufende Zinsen in den Jahren 1888, 1889 und 1890........ 2220 12 An Spenden in den Jahren 1888, 1889 und 1890 ......... 3961 09 An Legate in den Jahren 1888, 1889 und 1890 ......... 670 — An Erlös f. verkaufte Einrichtungsstücke des alten Bethauses .... 516 10 An Rückstand, welcher aus den laufenden Einnahmen zu bedecken ist 628 68 Summa . . . 149.775 21 Die zweite Anleihe wurde in der Form aufgenommen, daß 300 auf die Namen der Besitzer lautenden Teilschuldverschreibungen ä 100 fl. herausgegeben, 555