sein sollen, Zelb Thun .wir in Gnaden Bewilligen, von 1. Mai car. a. sowohl von Juden, als andern dem Handtwerck nicht Zu gethannen Handels Leuthen Bezahlet werden soll. Prag, den 21. April 1752. Philipp Graf von Gallas. Gegen diese so rasch bewilligte Steuer haben die davon Betroffenen naturgemäß rekurriert, fanden aber beim Grafen kein Gehör. Hierüber findet sich im Gedenkbuch der R. Tuchmacherzunft folgende Eintragung. Copia Eines gnedigen Decretes, dessen Innhalt ist u. zw.: Sallonion Gillowey, Jusua Bredl nebst Ihren Consorten Schutz Juden Werden Wegen des soge-nanndten Wolle Groschens Abgewiesen. Wie folget. Jenen Supplicanten Zum Bescheid, demnach der Von Jeden Stein Wolle Zu entrichten zufolge dessen unserer Stadt R. eingeführten Wollegroschens in absieht der negotirenden frembden Judens"čhaft Nicht dass Obrigkeitl. Interesse zum Gegenstandt hat, Sondern pro Adjuto und zur Beyhülfe unserer R. Tuchmacherzunft gewidmet ist, womit Selbste die allgemeine Gaaben desto Leichter erschwingen und ihr ge Wörb pro bono publico Vortsetzen können. Alsz Werden Jüd. Supplicanten Mit ihren Unstandthafften anbringen ab —• und dahin angewiesen, dass Selbste entweder den Wolle Groschen in die Tuch Laden Zahlen, oder sich des Handels in der Stadt R. e n t halten. Datum Reichenberg den 5. August Anni 1752. Philipp Graf von Gallas. Das Landesgubernium hat aber diese Beitragsabgabe annuliert. Und als im J. 1775 der Graf decredierte, von aller einführenden Wolle von jedem 1 Kreuzer zum Besten der Zunft beizusteuern, wurde die gräfl. Anordnung vom Kreishauptmann als ungültig erklärt. Bemerkenswert ist die Äußerung des Grafen, wonach durch Einrichtung des Wolleinfuhrgroschens die uralte Abgabe eines sog. Zentner Goldes zu 2 Kreuzer abgestellt worden ist). Zum Schluß hatten die Tuchmacher nach mehrmals gewährten Nachlässen nur noch 145 fl. zu zahlen und der Graf erklärte: „Wenn die Tuchmachermeisterschaft sich getraut, den Nachlaß höchsten Ortes zu bewirken, so soll denn auch dieser überrestliche Teil gleichfalls nachgesehen werden20). Die Einführung der Wollegroschens soll nun das Auftauchen eines portugiesischen Juden veranlaßt haben. Nach Hübsch 2?) wanderten unter Karl, also in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts auch aus Portugal Juden in Prag ein. Der sonst so besonnene Forscher, der hervorragende Historiker Hermann H a 11 w i c h wird zum phantasiereichen Feuilleto-nisten, wenn er die Rolle dieses „Portugiesen" schildert ~s). Im Norvellenstil berichtet er: „Da erschien eines schönen Morgens in der großen Amtsstube des gestrengen Hauptmanns ein gewisses Exemplar der vormals nicht gar seltenen, .nunmehr aber ausgestorbenen Originale industrieöser Existenzen, die man auf den ersten Blick als sog. „Schutz- und Handelsjuden'" erkannte. Das war aber kein gewöhnlicher, das war eine ganz besondere Species Schutz- und Handelsjude. Wohl mit allen Zeichen tiefster Unterwürfigkeit und zugleich höchster Pfiffigkeit, ja Überlegenheit, stand der ,>Portugiese" — so nannte man den fast im ganzen Lande wohlbekannten Mann — dem Stadttyrannen gegenüber. Es handelte sich, wie selbstverständlich, um ein Geschäft, und zwar um ein sehr profitables. Jude Portugiese macht sich für sich und seine mehr oder minder orthodoxe Nach- kommenschaft verbindlich . . ." Doch wozu weiter zitieren? Diese Probe genügt. Nach Hallwich war dieser „PorUigiese" ein „im ganzen Lande wohlbekannter" Mann, aber für diese Behauptung, die er freilich durch das Wort „fast" wiederum einschränkt, erbringt er keinen Beweis. Im Gegenteil. Nicht einmal der Name dieses Juden ist bekannt, ja er ist gänzlich verschollen. Wie reimt sich das zusammen mit dem „im ganzen Lande wohlbekannten" Mann? Zumindest hätte man doch wissen müssen, wie er heißt. Und Hübner beschreibt in lebhaften Farben die Aufregung in den Werkstätten und Bierstuben, als sich die Nachricht verbreitete, ein Jude sei der Urheber des Wollegroschens. „Es mögen schlimme Tage gewesen sein, die zu jener Zeit die Juden hier zu bestehen hatten. Sie durften sich, ohne Gefahr für ihr Leben, damals hier nicht sehen lassen und noch viele Jahre hindurch waren sie hier nur als fliegende Gäste geduldet, die tags ihre Handlungsgeschäfte abmachen konnten, bei Anbruch der Nacht aber sich im Weichbild der Stadt nicht aufhalten durften. Die Judenschaft hielt deshalb allabendlich Auszug und übernachtete in der Umgebung." Hübner verrät nicht die Quelle, aus der er diese Nachricht geschöpft hat. Es ist eigentümlich, daß das Leben der Juden in R. damals nur bei Nacht gefährdet gewesen sein sollte, während sie am Tage unbehelligt ihren Geschäften nachgehen konnten. Hühner stellt es so dar, als ob sie aus Furcht vor den Wirkungen des Wollegroschens noch viele Jahre später nicht hier zu nächtigen wagten. In Wirklichkeit war es das gräfl. Verbot, daß sie zum nächtlichen Exodus zwang. Dieses Verbot stand aber in gar keinem Zusammenhang mit dem Wollegroschen. Die einzige Quelle für die Einführung desselben sind die Gedenkbücher der Reichenberger Tuchmacherzunft. Alle späteren Darstellungen lehnen sich an sie an. Aber die Gedenkbücher, von denen nur zwei für diese Frage in Betracht kommen, sind nicht zuverlässig, weil sie, wie wir gleich nachweisen werden, tendenziös sind. Das jüngere Gedenkbuch ist „Anno 1775, den 24. February auff Kosten eines Ehrsamen Handwercks der Tuchmacher" errichtet worden. Dieses Protokollbuch ist also zu einer Zeit angelegt worden, als man schon ernstlich und energisch diaran ging, die endgültige Aufhebung des Wollegroschens anzustreben. Dies war sogar der eigentliche Zweck dieses Gedenkbuches. Da die Preußen im Siebenjährigen Krieg bei ihrem Einbruch in R. das Archiv der Tuchmacherzunft, dort zahlreiche Originaldokumente zerstörten, lag es nahe, aus Mangel an schriftlichen Beweisen, Materiál zu sammeln. Die Eintragung betreffend den Wollegroschen im älteren Gedenkbuche erfolgte auch viel später, viele Jahre nach der Einführung desselben. Sollte nach so langer Zeit die Erinnerung an die Einführung dieser Abgabe nicht schon verblaßt gewesen sein? Wie sehr das Gedächtnis trog, geht aus Folgendem hervor. Im Gedenkbuch steht: „ein Jud" und dann: „den Juden hat man den Portugiesen genannt." In einer Bittschrift an den Grafen (1752) heißt es wiederum: „Ein portugiesischer Jude hat sich in R. eingefunden" und in einer Eingabe fast ein Vierteljahrhundert später an den Kammerprokurator Dobro-slav ist nur von einem „fremden Juden" die Rede. Also die Angaben der Zunft sind nicht einheitlich. Aber, was schon schwerwiegender ist, auch nicht genau. Sie gibt an, die Einführung des Wollegroschens wäre unter der Regierung des Hauptmanns Platz erfolgt, während in Wirklichkeit damals Flick (übrigens auch gleich Platz ein Reichenberger Kind) der Hauptmann war. Platz trat sein Amt an, als der lieichenberg 24 552 Wollegroschen bereits volle drei Jahrzehnte in Kraft war. Auch die Lesarten bezüglich des jüd. Angebots sind verschieden. Einmal wird angeführt, der Jude wollte der Herrschaft von jedem Stein Wolle 6 kr. geben und ein anderesmal wieder, er wollte jährlich 500 fl. abführen. Auch in einer fiskalamtlichen Äußerung wird auf die wiederholte Ungenauigkeit der Zunftdarstellung hingewiesen. Wenn aber schon die Angaben über die wichtigsten Umstände so widerspruchvoll sind, wie sollte es gerade mit dem Juden stimmen? Und woher wußten es die Tuchmacher, daß ein Jude die Ursache des Wollegroschens war? Schreyer20) sagt, sie erfuhren es „unter der Hand". Nun weiß jeder, was man von solchen Mitteilungen zu halten hat. Was man „unter der Hand" erfährt, vom Hörensagen kennt, ist doch fast immer ungenau, wiedersprechend, unverantwortlich. Es war also ein bloßes Geruch t, daß ein Jude, mag er ein Portugiese gewesen sein oder nicht, hinter den Plänen des gräfl. Oberamtes gesteckt und seine Hand im Spiele gehabt hätte. Dieses Gerücht, mag es anfangs noch so haltlos gewesen sein, verdichtete sich in Jahrzehnten zu einer Gewißheit. Der Wollegroschen war nicht verhaßt, weil angeblich ein Jude — wenn auch nur mittelbar — den Anlaß dazu gab, sondern weil der Wollegroschen verhaßt war, mußte ein Jude der Urheber gewesen sein. Aber die Zunft benötigte den Judien aus psychologischen Gründen. Wie sollte sie es sonst rechtfertigen, daß sie ihre Zusage widerrief und sich dann doch bequemte, vertragsmäßig jährlich 500 fl. zu zahlen, wenn nicht, damit nur „nicht gezwungen zu sein, so-thanes Material aus den Händen des Juden zu beziehen?" Als der Kontrakt nach einem Jahrhundert angefochten, der Wollegroschen aufgehoben und die Zunft angewiesen wurde, die Rückzahlung des erlegten Betrages im Rechtswege zu erwirken, behauptete das Gericht, die Zunft habe den Vertrag freiwillig abgeschlossen. Diese stellte dies mit der Gegenbehauptung in Abrede, sie handelte damals in einer Zwangslage undi habe dem Vertrage zugestimmt, nur um dadurch der Einflußsphäre des Juden entrückt zu sein. „Die im J. 1669 zu Papier gebrachten Bedingnisse schienen w o h 1 g e d e i h 1 i c h zu sein und die Meisterschaft Hess sich diesen Antrag willig gefallen30). Sie wird sicherlich nicht so hirnverbrannt gewesen sein, schlechtere Bedingungen, also schwere materielle Schädigung in den Kauf zu nehmen, nur weil sie einen Juden dahinter gewittert hätte. So weit ging ihre Abneigung gegen ihn gewiß nicht. Warum sie es taten, läßt sich heute nicht mehr ermitteln, aber bestimmt nicht aus dem angegebenen Grunde. Diesen ließ auch im Verlaufe des Prozesses der zur Wahrung der Rechte der Tuchmacher bestellte Kammerprokurator nicht gelten und er „getraute sich überhaupt nicht aufzukommen". Infolgedessen sah sich die Tuchmachermeisterschaft veranlaßt, durch den ihr von amtswegen zugeteilten Rechtsfreund beim Fiskalamte einzuschreiten. Aber die Meister wurden mit ihi-en Ansprüchen abgewiesen. Nach dem Tode ihres Anwaltes versäumten die Tuchmacher die Rekursfrist. Hiefür werden verschiedene Gründe ins Treffen geführt. Sie wären nicht rechtskundig, auch nicht einig gewesen, dann wollten sie nicht den regierenden Grafen, der ihnen manche Wohltat erwies, für die Ungebühr seiner Vorfahren belasten. Doch damit wird der Sach-verhalt nur verschleiert. Die ganze, als Wollegroschen abgeführte Summe wurde von der Meisterschaft mit 52.625 fl. beziffert. Ist es glaubwürdig, daß sie, die mit so viel Elan den Wollegroschenprozeß anstrengte und selbst in einer Eingabe an die Kaiserin Maria Theresia eine kühne Sprache gegen die Grundherrschaft führte, eine so hohe Summe aus purer Sentimentalität fahren ließ? In Wirklichkeit gaben die Meister den Kampf auf, weil sie mit dem Judenargument, dem man keine Beweiskraft zuerkannte, nicht durchdringen konnten. Schreyer berichtet ferner: „In der Folge ward dennoch die erstprojektierte Wollniederlage, worunter immer eine jüd. Compagnie, namentlich Wolf Lichten-stadt und Itzig Löb'l Jaiteles versteckt gewesen, errichtet." Aber Schreyer führt für diese Behauptung keine Quelle an. Beide der Genannten haben ja mit den Tuchmachern in R. einen lebhaften Tuch- und möglicherweise auch Wollhandel getrieben, war doch, wie wir oben ausgeführt, Lichtenstadt ihr „Peschoresma-eher", aber daß sie auch eine privilegierte Wollniederlage errichtet hätten und die Tuchmacher gezwungen worden wären, von dort Wolle und Farbenmaterialien zu höherem Preise als anderswo zu beziehen, ist aui den primären Quellen nicht ersichtlich. Von dieser angeblich von der Herrschaft errichteten jüd. Firma geschieht auch in den Gedenkbüchern der Zunft keine Erwähnung. Schreyer sagt von dier Gründung im Allgemeinen, sie wäre „in der Folge" geschehen. Hallwich gibt schon bestimmt 1690 als Gründungsjahr an. Ihm folgt Hübner. Er fügt noch hinzu, daß der neue Hauptmann Platz seine Amtstätigkeit mit der Errichtung dieser Niederlage begonnen hätte und daß „in die, den Tuchmachern abgerungenen Mehrzahlungen sich die Herrschaft und die mit der Führung der Niederlage betraute jüd. Firma nach einer unbekannten Proportion teilten". Und auch in der, anläßlich des 350 jährigen Jubiläums herausgegebenen „Kleinen Chronik der Genossenschaft der Tuchmacher" ist die Notiz enthalten: „1693 errichtet Hauptm. Platz eine herrschaftliche Wollniederlage, aus der die Tuchmacher die Wolle zu hohem Preise kaufen müssen und verpachtet die Niederlage an die . Juden Wolf Lichtenstadt und Itzig Löbl Jaiteles." Aber mit dieser Wollkompagnie scheint es nach der bisherigen Erforschung der Quellen ebenso wenig gewesen zu sein, wie mit dem legendären Portugiesen. Schreyer hat als Rat des böhm. Kommerzkollegiums durch sein Votum das meiste zur Aufhebung des Wollegroschens beigetragen. Für diesen Schlußakt ist er ein klassischer Zeuge, aber für die Einführung dieser Abgabe sind seine Ansichten nicht maßgebend, da er unbedenklich den Darlegungen der Zunft folgt und für die Errichtung der jüd. Niederlage gibt er keinen Gewährsmann an. Die genannten drei Forscher, Schreyer, Hallwich und Hübner schildern in grellen Farben die schädliche Wirkung dieser am heftigsten befehdeten Abgabe. Ein mit dem modernen Rüstzeug ausgestatteter volkswirtschaftlicher Schriftsteller, Walter H a w e 1-k a, stellt in seinem 1932 erschienenen Buche: „Geschichte des Kleingewerbes und Verlages in der Reichenberger Tucherzeugung" (S. 40 und 63) die Sache in milderem Lichte dar. „Der Wert der verbrauchten Wolle betrug zwischen 1767 und 1769 durchschnittlich schon 400.000 fl. jährlich, so daß die Wolle durch die 500 fl. Wollgroschen als Jahresabgabe nur um Va Prozent verteuert wurde.'" Ferner meinte er, „da die Abgaben seit 1693 unverändert blieben, während zugleich die Menge und seit den 1730er Jahren auch die Güte der Tuche, d. h. also ihre Preise für das Stück, stark stiegen, wurden in-, folge des steigenden Umfanges der Tucherzeugung, die Verteuerung des einzelnen Tuches durch den ÄäÄ