gung war der tüchtige und mannhafte Syndikus Leopold Richter, dessen Amtsenthebung die Grundherrschaft vergebens anstrebte. Der Gegensatz zwi-sch.en--xlen beiden Behörden kam auch in einer jüdischen Angelegenheit zutage. Im J. 1785 reichte der Gylowayer Jude Marcus Löbl beim gräfl. Wirtschafts-amte ein Gesuch ein, alle Wochen einige Tage in R. für die Juden kochen zu dürfen. Inspektor Paid ersuchte den Stadtrat um ein Gutachten und gab gleichzeitig zu verstehen, das Gesuch werde vom gräfl. Amte nicht bewilligt werden. Der Stadtrat erwiderte nun, er habe nichts dagegen, wenn der Jude vom Obersinte abgewiesen wird, jedoch „behalte sich der StadtrRath feyerlichst bevor, weil derselbe die personal Instanz dieser Stadt und Frembden (solange sie hier sind) ausmacht, diesen und! anderen Juden in diesen und andern Fällen, wo sie beim Stadt-Rath bittlich einschreiten, den Behörigen Bescheid nach Erkenntnis selbst erteilen, zu können".; Um das Aufbegehren zu mildern, fügt der Magistrat noch hinzu: „Von der Annahme oder Nichtannahme eines Juden in die Ansässigkeit kann ohnedies keine Rede sein." Die Duldsamkeit des Magistrates war der Grundherrschaft schon längst ein Dorn im Auge und sie drang nun auf die Ausweisung der Juden aus R. Auf Grund von Vermutungen wurde zwischen ihnen und gewissen Vorkommnissen ein Zusammenhang auf künstliche Weise geschaffen. Da der Wille, die Juden nicht zu dulden, vorhanden war, suchte man nur nach einem Anlaß. Das erste grundherrschaftliche Judenverbot im Jahre 1799. Am 6. September ds. Jahres erließ Christian Philipp Graf Clam-Gallas von Tschernhäusen aus den strengen Befehl, daß in seiner „untertänigen" Stadt und Herrschaft R. keine Juden mehr geduldet werden dürfen. Die markantesten Stellen seines Erlasses lauten: „Schon seit geraumer Zeit häufet sich die Anzahl der Juden in R. dergestalt, dass ich auf die Vermutung komme, der Magistrat setze hier alle schuldige "Aufmerksamkeit beiseite, wolle die hier-wegen bestehenden Gesetze nicht kennen und da mir die Oberaufsicht in die Publika, Politika und öcoiio-mika obliegt, mich Selbsten čompromittiren. Noch mehr staune ich, wie der Magistrat nur zulassen könne, das» sich in der Stadt ganze • jüd. Familien wohnhaft machen, Weibspersonen von dieser Nation in Aufenthalt nehmen, eine öffentliche jüd. Garküche und mit dieser einen Schächter und Koscherer da dulden können, ohne die Gefahr einzusehen, der er sich und besonders der erste Stadtvorsteher, bei welchem und gerade der Pfarrkirche gegenüber diese öffentliche Küche und der Tabernakel deren Juden aufgeschlagen ist, so offenbahr aussetze, da ihm doch nicht unbekannt sein kann, dass auf meiner Herrschaft R. in Anno Decretorio kein Jude existiert undi tausend Dukaten Strafe auf jene gesetzt sei, welche dergleichen wohnhaft aufnehmen. Kein Gesetz hat jenes von 1725 geändert, vielmehr ist dieses durch ein Landesherrn-Patent vom 14. November 17.71 und Verordnung in Böhmen vom 14. Nov. 1771 mit dem Beisatz erneuert worden, dass jener, welcher die ausgemessene Strafe von tausend Dukaten zu erlegen ausserstande, mit einer körperlichen Züchtigung ohnriachsichtlich bestrafet werden soll. Nur ist denen Juden nach der in Böhmen kundgemachten Verordnung vom Jänner 1782 im Marktzeiten gestattet, daselbst ' bei Tag und Nacht zu wohnen. Ich befehle daher dem Magistrat, bei Erhalt dieser meiner Verordnung die Stadt von denen da- selbst wohnenden jüd. Familien, Weibs- und Manns-persohnen binnen 48 Stunden zu entledigen und dies unter persöhnlicher Haft und Verantwortung desselben, indem ich weder mich noch die Stadtgemeinde der Strafe des Gesetzes aussetzen kann. Zu dem Ende hat derselbe mir die Verzeichnisse deren von der Stadt abgeschafften jüd. Personen binnen 3 Tagen einzusenden und besonders aufzuführen, welche von jenen jüd. Handelsleuten, die ihren ordentlichen Gros- und legitimierte Handlung treiben und von bewehrten Betragen sind, sofort nur einzeln oder mittels eines einzigen ordentlichen Bevollmächtigten daselbst zur Betreibung ihrer Geschäfte mit Ausschliessung aller Weibspersonen und deren Aufenthalt von Dauer wohnen zu können, ohne jedoch eine Familie zu bestimmen, zum besten des Commercy von Jtiöthen seien, einzusenden. Ich zweifle keinen Augenblick, dass der Magistrat diese meine Anordnung pünktlichst in Vollzug setzen,, sich selbst aus einer Gefahr, der an sich durch so lange Connivenz bloßgestellt, reissen und mich von weiteřn Maßregeln und höherer Einschreitung entledigen werde, wie ich zu meiner eigenen Sicherheit und pünktlichster Befolgung landesherrlicher' Gesetze ohne weiteres anhand nehmen müsste." Also eine Judenvertreibung en miniatuře, Der Magistrat lud nun die Juden aufs Rathaus vor und machte -ihnen den gräfl. Erlaß mundgerecht. Er verhängte die Ausweisung binnen 48 Stunden. Hievon wurden insbesondere Isaak Hermann und dessen Schwiegersohn Salomon Reissner, ferner Beer Klein, Adam Hlawatsch samt seinem Weibe und die Veronika Kanarki betroffen. Dem Elias Löwenthal wurde zur Abwicklung seiner Geschäfte eine Frist von drei Monaten bewilligt. Vierzehn Personen, zumeist Großhändler, wurde der weitere Aufenthalt in Aussicht gestellt, falls sie sich die Legitimationen verschaffen werden, „ohne jedoch eine Familie zu bestimmen und ohne die geringste jüd. Weibsperson (sie!) bei sich zu haben". Das Protokoll übersandte der Magistrat dem Grundherrn am 10. Oktober mit einem ausführlichen Berichte. Er spricht ihm den Dank aus für die im Dekrete bekundeten wohlmeinenden väterlichen Gesinnungen des Grafen aus und hofft, daß „seine Gnaden in dero diesfälligen Entschlüsse unerschütterlich und beharrlich bleiben werden". Dann läßt sich der Magistrat darüber aus, daß er schon öfters, letzthin im April Aulauf genommen hat, den „allhier so sehr Überhand nehmenden Juden Schranken zu setzen", aber wie er treuherzig bemerkt, „dass wie e3 gemeiniglich bei Odiosis geschieht, dass man es gerne dabei so lange bewenden lässt, so lange es nur halbwegs geht". Der Mag. verweist darauf, wie bedenklich die sofortige Abschaffung der jüd. Wollhändler auf dem hiesigen Platze wäre. Da sie meist auf Borg verkaufen, würden eine große Anzahl bürgerlicher Familien und Fabrikanten zugrunde gehen. Deshalb bitte der Mag., der Graf wolle jene jüd. Woll- und Leinwandhändler, die teils mit der Großhandelslizenz versehen sind, teils aber für die kleinen Tuchmacher die Wolle besorgen, für ihre Person von der Ausweisung ausnehmen. 9^ Graf reagiert auf dies« Vorlagen in einem vorf^prag aus den 25. Nov. 1799 erflossénen Dekret. Es ist sehr geharnischt. Vor allem werden dem Bürgermeister Trenkler, der trotz des ersten Dekrets seinem jüd. Mieter nicht gekündigt habe, die ^ A Leviten gelesen. ' '~jh „Kein Vorsteher", — so poltert der Grundherr — „kann und darf öffentlich den höchsten Gesetzen zuwiderlaufende Tatsache außer seiner Notiz lassen. Seine Schuldigkeit ist, ohne auf Privatverhältnisse und Interesse Rücksicht zu nehmen, die gehörigen Schranken zu setzen. Der Magistrat hat daher dadurch, daß er durch so viele Jahre von den notorischen Überschreitungen keine Notiz nehmen wollte und auch nicht Abhilfe schaffe, seiner Pflicht zuwidergehandelt. Da nun weder ich noch jemand anderer in der Befugnis stehe, Gesetze zu erläutern, und wenn ich auch geneigt wäre, jüd. Familien auf meiner Herrschaft R. ansiedeln zu lassen, hierzu nicht berechtigt bin, als was andere derogierende Gesetze mir ex jure dominicali einräumen, so hat es bei meiner diesfälligen Verordnung vom 6. September sein unabänderliches Bewenden und ich gestatte keinem, nur nachstehend genannten jüd. Mannespersonen zum besten des Kommerzes und unumgänglichen Kredit meiner Untertanen den Aufenthalt von längerer Dauer, ohne jedoch in der Stadt eine Familie zu formieren. 1. Den Michael Fürth, seel. Erben, 2. Simon Lamel, 3. Salomon Přzibram, alle drei aus Prag, 4. Gebrüder Gutmann aus Polna, 5. Isaac und Samuel Schulhof aus Pirnitz, 6. Elias Goldschmidts Eidam aus Trebitsch, 7. Tobias Sobotka aus Prag. 8. Löbl Pauer, 9. Jakob Ronauer, 10. Samuel Ronauer, 11. Israel Hüttmann, alle drei aus Polna, 12. Isaac Polnauer aus Trebitsch,. 13. Lewy Herzfelder aus Pirnitz, 14. Naphtali Basch aus Polna. Sie können ihre Handlung entweder selbst oder durch ihre bevollmächtigten Handlungsdiener besorgen. Ich bin nicht abgeneigt, daß die Grossisten auch einen halten können zu ihrer Bedienung und Bequemlichkeit. Es hat aber der Mag. genau darauf zu achten, daß sich weder die Handlungsdiener, noch Domestiquen mit Nebenhandlungen abgeben. Da ich aber unter der Hand vernehme, daß die abgeschafften Juden sich zur Nachtzeit auf die nahen Dörfer schleichen und daselbst wohnen, erteile ich den Befehl, an Untertanen auf das strengste die Aufnehmung derer Juden zu verbieten, die erste Betretung mit 3 Tagen Dominikal-Arbeit, die zweite mit 3 Reichsthalern zu ahnden. Diese Ordnung können nicht dahin erläutert werden, daß denen bewilligten jüd. 14 Grossisten dadurch ein ausschließender Handel oder Recht zugestanden und die Kommertianten im Kauf und Verkauf der Wolle, Tücher, Leinwand, Strümpfe beschränkt seye, nein, jedem andern jüd. Handelsmann steht frey, Wolle zum Ver- und Einkauf undt ein Aufenthalt von drei Tagen, wieder (Jie Stadt zu verlassen oder von mir die Erlaubnis zu erhalten, gleich denen übrigen handeln zu dürfen." Dieses Dekret stellt im Vergleich zum ersten eine Verschärfung dar, zumal es nun verboten wurde, die Nacht in einem Dorfe, wie das oft geschah, zu verbringen. Häufig übernachtete man namentlich in den Dörfern, die zur Böhm. Aichaer Herrschaft gehörten, und des Morgens kehrte man als „Neuankömmling" wieder. Dabei blieb es später auch, zumal das Judenverbot nicht durchgeführt wurde. Nach wie vor wohnte ein jüd. Ehepaar im Gemeindehause, das sogar behauptete, vom Ausweisungsbefehl gar keine Kenntnis zu haben. Schon im J. 1800 hielten sich in R. 5 aus Prag gebürtige Jünglinge auf, die zur Assentierung sich. isjßilen, mußten. Mit Ausnahme eines Studenten waren die übrigen in R.-er Geschäften angestellt. Angesichts der wachsenden jüd. Bevölkerung holte man zu einem neuen Schlage gegen sie aus. Das zweite grundherrschaftliche Judenverbot im Jahre 1810. Den Auftakt bildete eine Supplik an die Herrschaft vom 26. November 1809, in der. die Unterzeichneten im Namen aller Großhändler und přivil. Tuchfabri- kanten, aller Spezerei-, Material-, Hand- und Schnittwaren-, dann Leinenhändler in erster Reihe gegen die Fremden und Ausländer Klage führen. Sie gefährden durch ihre unbefugten Betriebe in R. die heimische Erzeugung und den heimischen Handel. Dann aber werden auch die Juden aufs Korn genommen. „Es ist kein Artikel mehr, mit welchem sie nicht Handel treiben. Dieser ,Unfug' nimmt täglich zu und wenn ihm nicht mit der größten Schärfe vorge.beugt wird, so muß die Nahrung der hiesigen Handelsbefugteil ganz gehemmt werden." Dann wird auf das 1. Judenverbot eine Lobhymne angestimmt. ,,Dieses Dekret ist mit der größten Weisheit entworfen." Der Mißerfolg des ersten Judenverbotes wurmte das Oberamt, besonders dessen Leiter. Nun war kein Halten mehr für diesen. Denn die bewegende Kraft der judenfeind-lichen Aktion war der Oberamtmann Jos.. Markow-sky. Als ehemaliger Advokat, der Anwalt der Zunft und dann als Magistratsrat Zunftinspektor, machte er sich die Anschauungen der zünftigen Tuchmacher ganz zu eigen. Der Magistrat dagegen war, weil er vielleicht in engerer Fühlung mit allen Schichten der Bürgerschaft und auch der fremden Négotianten stand, weniger befangen und einseitig. Er verkannte nicht, daß die Juden ein wichtiges, ja unentbehrliches Glied in der wirtschaftlichen Verkettung am Reichenberger Platz waren. Daß er entgegen dieser besseren " Einsicht sich vom Wirtschaftsamt schließlich doch ins Schlepptau nehmen ließ, ist nicht zu verwundern. Er war ja nur ein untergeordnetes Organ der Grundobrigkeit. Weil aber Markowsky wußte, daß die Durchführung des 1. Judenverbotes auch an der Toleranz und Weitherzigkeit des Magistrates scheiterte, mußte er sich, falls auch der Mißerfolg des zweiten Verbotes, das übrigens ;nur als Fortsetzung, besser gesagt, als Durchsetzung des ersten Verbotes geplant war, nicht besiegelt sein sollte, erst der Mitwirkung, des Magistrates versichern. Markowsky wollte sie nicht durch einen Machtspruch, sondern durch Überredung erzielen. Die Judenpolitik der städt. und gräfl. Behörde hatte ja auch Berührungspunkte zur Genüge und die erstere hatte trotz mancher Anläufe weder den Willen, noch den Mut, sich für die Juden besonders zu exponieren. Das zweite Judenverbot nimmt einen dramatischen Verlauf, den wir in .allen Punkten verfolgen können. Das Material im städt. Archiv wird nämlich durch die Akten im Friedländer Schloßarchiv ergänzt. Reißt auch der Faden, so kann er doch wieder aufgenommen werden. Markowsky führt den Kampf, wenn auch im Namen des Oberamtes, ganz persönlich. Nur ein Dekret ist vom Grafen selbst unterzeichnet. Sonst wird der Schriftenwechsel von ihm bestritten und gezeichnet. Gleich Anfang 1810 bestürmt er den Magistrat: „Das Oberamt wird so lange nicht ruhen, bis es šicht von der Vollzugssetzung und weiterer Handhabung der Verordnung vom J. 1799 volkommen überzeugt sein wird." Doch will er das, was er im. Schilde führt, durch Argumente stützen. „Die Juden hätten sich ungeachtet der landesfürstlicheh, für sie so beglückenden Absicht den Nahrungen wegen und dem bürgerlichen Leben der übrigen Stadtuntertanen noch so wenig genähert." Als ob dies in so kurzer Zeit und unter den obwaltenden Umständen überhaupt möglich gewesen wäre! Ganz im Sinne der Zunft, fügt er hinzu. „Die Nichtduldung von Juden wird von der Untertan. Stadt R., die größtenteils von Fabrikation und von Handel und Wandel lebt, als wahre Wohltat C"\C anerkannt." Da aber Markowsky weiß, daß diese An- C? sieht durchaus nicht von der ganzen Bürgerschaft