in K. Schwierigkeiten in den Weg gelegt haben muß. Ob die Firma Bassewi für ihre Zweigniederlassung in R. ein eigenes Haus gebaut oder gekauft hat, ist aus den Quellen nicht ersichtlich. Jedenfalls dürften auch jüdische Bedienstete dieser Firma in R. gewohnt, oder zumindest sich aufgehalten haben. So sandte einmal Jacob Bassewi einen jüdischen Abgeordneten zur Bezahlung von Tuchen nach R., der; wie er sagt, „in sonder Zeit unserer ingestandener Feyertage etwas geweilt". Das Ausmaß der Geschäfte rechtfertigt den Ausspruch eines volkswirtschaftlichen Schriftstellers unserer Tage, daß aus der erst nur der Person des Fürsten dienenden Hoffirma eine dem allgemeinen Nutzen förderliche Landesfirma geworden sei. Bassewi folgte allerdings seinem Gönner wenige Monate nach dessen gewaltsamen Tod in die Ewigkeit. Das vom Herzog den Bassewischen als Anlage und Betriebskapital überlassene Darlehen im Betrage von 40.000 fl. scheint nicht auf einmal, sondern ratenweise, in der Regel zu 1000 fl., vorgeschossen worden zu sein. Hierauf deutet auch ein von der Jiči-ner Kammer am 6. Juni 1633 an den Burggrafen zu R. ergangener Befehl hin. Er sollte die Verfügung treffen, daß die Tuchmacher in R. die 400 R.-Th., die sie für Wolle den fürstl. Renten schulden, den beiden Juden oder ihren Vertretern auszahlen mögen, welche Summe „die gemeldeten Juden an dahero 1000 Fl. die Ihnen Ihre fürstl. Gn. für ihren Handel anbefohlen, dekaliert und abgekürzt werden sollen". Aus dem Hauptbuche der Jičiner Kammer geht hervor, daß manchmal auch die 1000 fl. in dien fürstl. Renten den Bassewis nicht zur Verfügung standen. Die Grafen Gallas und Clam-Gallas. Wie wenn man aus dem Freien in einen Raum mit gesperrter Luft tritt, so ist es einem zumute, wenn man in diese Geschichtsperiode eintritt. Über zweihundert Jahre gehörte R. zum Dominium dieser gräfl. Häuser. Während dieser Zeit konnten die Juden in R. keine Bürger, nicht einmal Untertanen werden. Der Grund lag aber nicht in der Grundherrschaft allein, sondern auch in den gesetzlichen Bestimmungen. Denn das Judenpatent vom 14. August 1725, sowie vom 20. September 1725, verbot an Orten, wo bis dahin keine Juden ansässig waren, sie aufzunehmen, und legte infolge der „Connivenz der Landes-innwohner und Ortsobrigkeifien" jüd. Familien gegenüber den Grundobrigkeiten größere Verantwortung auf. Im Judenpatent des Franz II. vom 3. August 1797 sipürt man, daß es nach der franz. Revolution erlassen wurde. Es ist ein Meilenstein auf dem Wege der gesetzlichen Gleichstellung der Juden. Wohltuend berührt die Förderung ihrer Bildungsbestrebungen, abstoßend wirkt dagegen die Aufrechtr erhaltung des pharaonischen Familiantenwesens. Auch bezüglich des Wohnrechtes war dieses Patent recht reaktionär. Bestimmte es doch: „Es soll einer jüd. Familie nur in dem Orte, wo im J. 1725 Juden geduldet waren, Aufenthalt gegeben werden." Die Grafen Clam-Gallas hatten manchmal den guten Willen, Juden auf ihrer Herrschaft ansässig zu machen, aber die gesetzlichen _ Vorschriften hinderten sie daran. Man wußte es nicht, oder vergaß es, daß Juden schon ein Jahrhundert vorher in R. ansässig waren. Aus diesem Grunde durften die Juden auf der Herrschaft kein unbewegliches Gut erwerben. Am 16. August 1799 kaufte der Prager Jude Přzibram im Dorfe Hanichen von Josef Porsche ein Haus, mußte es aber auf gräflichen Befehl binnen eines Jahres einem Christen verkaufen. Diesen Angaben Fiebigers kann man Glauben schenken, auch abgesehen davon, daß er nicht so detaillierte Daten gebracht hätte, die seine Zeitgenossen überprüfen und widerlegen konnten. Auch im J. 1804 müßten die Gebrüder Seegen, Handelsjuden, das Haus, das das Gericht in das Grundbuch von R. ' eingeantwortet hatte, zwei Monate später verkaufen. Es wurde ihm aufgetragen: „Für einen Besitz- und stadtfähigen Käufer zu solidieren." Diese judenfeindlichen Bestimmungen wurden durch die Zeitrichtung begünstigt. Der Begriff der Volkswirtschaft war damals noch unbekannt und wie es heute eine Autarkie der Staaten gibt, gab es damals eine Autarkie der Städte. Daher wirkten die Körperschaften auf die Ämter ein, daß den Juden in Reichenberg, wenn überhaupt schon, dann kein langer Aufenthalt gewahrt werde und daß ihre Zahl sich nicht vermehre. Noch im Jahre 1833 beschwerte sich der Handels-stand: ,jSo haben die Israeliten auf unserem. Platze, wovon man ein Teil ganz von hier verweisen könnte, das Agiogeschäft, sonst in unseren Händen, unser Verdienst, an sich gezogen." Einerseits dachte man durch die Fernhaltung und Niederhaitung der Juden die Lokalinteressen zu fördern und andererseits zwangen gerade die wohlverstandenen Interessen gebieterisch, die Gesetzesparagraphen zu umgehen, oder zu mildern und die Juden, wenn auch oft nur stillschweigend, zuzulassen. Freilich bedrohte sie- oft das Damioklesischwert der Ausweisung und waren sie Schikanen aller Art ausgesetzt. Trotzdem hielten ,sich fast ununterbrochen Juden in R. auf, wiewohl ihnen der Aufenthalt nur während der Jahrmärkte gestattet gewesen wäre. So mieteten sie beständig Magazine und Gewölbe. So besaßen solche beispielsweise die Brüder Marx aus Jungbunzlaü um die Mitte des 17. Jhts. So hatte auch Salonion Lob! aus Münchengrätz im J. 1747 ein Gewölbe bei Karl Hoffmann, vermutlich 24-111, Ecke Hablau und Tuchplatz, wo früher das „Deutsche Haus" und jetzt der „Donauhof" steht, in Pacht. 1780 erging seitens des Magistrates an das Kreisamt eine Bitte um „Belehrung", ob die Gewölbe habenden Juden zur Kriegssteuer herangezogen werden können. Aber nicht nur beständige Niederlagen hatten die Juden in R., sondern sie nahmen, wenn auch nur geduldet und zeitweilig, doch immer wiedier Aufenthalt. • Als im J. 1649 die Wirtin des Reichenberger Ratskellers ermordet wurde, wunde gleich darauf auch nach den geraubten Schmuckgegenständen gefahndet. Daraus, daß nur auswärtige und nicht hiesige Juden zu Kundschaftsdiensten herangezogen wurden, ' darf keineswegs gefolgert werden, -daß es hier keine gab. Ein positiver Beweis für das Vorhandensein von Juden ist ein Konzept des hiesigen Magistrates aus dem J. 1697, wo es heißt „allda die Juden". Hätte es damals keine Juden in R. gegeben, so wäre die Antwort auf eine sie betreffende Auskunft eine sehr einfache gewesen. Der Magistrat hätte bescheinigt, daß die Stadt keine Juden beherberge. So aber wurde die Auskunft An „öffentlicher Ratns-Session" vorgelesen und ,,/fSf v Her fleisige nach forschung angestellt" "). W Im J. 1704 erfolgte die Verpachtung des herrschaftlichen Branntwein- und Gerberhauses in Maf-fersdorf an den Leipziger Juden Israel Gyhel. Im Pachtvertrag heißt es nun u. a., daß dem Pächter „die freie Macht gegeben wird, seine Handlung an denen Juden noch zu R. und aussen ganzen Landes zu treiben". Dieser Passus beweist deutlich, daß es damals Juden in R. gab. Sonst wäre ein Hinweis auf sie schon aus dem Grunde unmöglich gewesen, weil 532 der Pachtvertrag im Schlosse zu R. vom: damaligen Stadtschreiber aufgesetzt wurde. Durch eine Bemerkung im städtischen Wollwageprotokoll aus dem J. 1705 ist wenigstens ein jüdischer Inwohner in R. nachweisbar. Die Eintragung, lautet: „Daß Jud JSat-tann Grottau alhier bey Gottfried Seibt lnn der Cammer gehabten Hanff, ist aus Überkommener Vollmacht von Juden Vor inn -Beysein Herrn Johann Andreas Tugemanns Jungrichters folgende Personen, welche Bey Ihmbe Jud Grottau Einige schuldt zu fordern hatten, abgewogen worden, als Gottfried Seititen, item Gottfried Hoffmann, dann Gottfried Haweln Vom Franzendorf . • •" Im R.-er Stadtbuch findet sich folgende Eintragung: „Anno 1714, den 13. April. Seindt Bey gehaltener Session und Verpachtung der ganzen Gemeinde, auff Rathaus alhier zur R., folgende puncta alhier von worth zur worth annotiret werden, als: Welcher gesthaten wird, daß die Juden in die ge Pachete Cammer, gewölber, oder sonsten in die Häuser wohinn Federn, Wolle, Kleider, als dergleichen anfällige Sachen ein Quarthiren undt Einlegen, demm solle dass Haus Ver-petschirt, Er seine Straffe am gelde, dem arest aber Im Stockhause haben. Wer Ein Juden Leinwandt oder andere Sachen borgen wirdt, der soll doppelt so Viel zur Straffe Erlegen, wird auch Keiner Hilffe sich zu getröstten haben." Im 3. Jhzt. des 18. Jhts. fing mm an, die wachsende Zahl der in R. wohnenden Juden, die selbstredend noch immer sehr gering -war, mit mißtrauischen Augen zu betrachten und sie durch vexato-rische Maßnahmen einzudämmen. Vorderhand erfolgte ein allgemeiner Hinweis, In der Magistratssitzung vom 22. Feber 1732 würde beschlossen: „Auf die Juden, welche ausser Jahr- und Wochenmarkt Zeiten alhier sich aufhalten würden, wachsames Auge zu haben, und durch ganze wochenlang hiesigen Bürgern dadurch undt mit ihren privat Handel an ihren nahrungen nicht schaden zu sollen." Am 16. Oktober 1732 wurde in die Decanalkirche eingebrochen und viele kostbare Kultgegenstände geraubt. Rohns) berichtet darüber: „Die gottesräuberische Tat wurde nach Mutmaßung jüd. Bösewichtern zugeschrieben, denen der Reichenberger Förster Benjamin und der Leitmeritzer Scharfrichter nachsetzten. Die Räuber ließen ihre Pferde auf dem Galgenberg in R. stehen und hatten sie dort angebunden." Aber auch von einer Mutmaßung war keine Spur. Hätte man unter den Tätern, die übrigens niemals ausgeforscht wurden, Juden vermutet, so wäre in den Steckbriefen, die der Rat aussandte und die Dr. Viktor Lug mit gewohnter Akribie veröffentlichte, zumindest ein Hinweis oder eine leise Anspielung enthalten gewesen. Im J. 1776 mischte sich sogar die Kirche in die Sache der Juden hinein und der damalige D e-c h a n t Karl Topiczowsky erließ eine Kundgebung. Im städt. Seasiönsprotokoll (Lit. E. E., S. 233, § 3) ist darüber folgendes enthalten: „Haben Ihro Hochwürden Herr Dechant durch den löbl. Magistrat der ganzen Stadtgemeinde R. publizieren lassen, damit sich keine Juden in R. über den Schabes oder Samstag und Sonntag aufhalten sollen, in den übrigen Wochentagen aber ihren Handel und Wandel alhier pflegen können, sofort alle bürger, unter ansonst verfolgender Bestraffung gewahrniget worden, die Juden über die Verbothenen Tage "nicht zu.behalten und. quartir zu geben." Hierzu ist noch die Bemerkung eingeschaltet: „Welche Kundmachung hir ad notam genohmen worden." Aus Streitschriften zwischen Prager -und Polnisch-Lissauer Wolljuden, die aus dem J.....1782 datieren, geht hervor, daß damals Juden in R. wohn-. haft waren. Übrigens belehrt .uns hierüber gründlich ein Intimat . des herrschaftl. Wirtschaftsamtes vom 24. April 1787. Es lautet: „An den Stadtrath! Da hervorkommt, dass die Juden in der Stadt R. sich für beständig aufhalten, Quartiere ordentlich mieten und somit dem bestehenden Normalgesetz entgegenhandeln, hierorts aber von Anno Decretorio Juden ordentlich zu domiciliren keineswegs gestattet ist. So hat der Magistrat diesen Unfug einzustellen und diejenigen Häuser zu consigniren, in welchen die Juden sich dermalen für beständig aufhalten und dadurch Gelegenheit erhalten, sich einzunisten. Und weil auch in dem Gemeindehause die Juden für beständig Quartier in Bestand haben, hierdurch aber der Endzweck des öffentlichen Wirtshauses sowohl, als daß bequeme Unterkommen fremder Passagiers Vereitlet, ja durch die Menge der Juden nur die Uneinigkeit Vermehrt wird, der Högung der Juden im Gemeindehause zu steuern ist." Dieses oberbehördliche Ultimat wurde auf dem Rathause jenen Bürgern, bei denen Juden wohnten, am 14. September vorgelesen. Es waren dies: Anton Altmann, Paul Posselt, Franz Meissner, Jakob Brendl, Josef Sieg-mundt, Adam Peukert, Agnes Hübnerin^ Paul Röhms Weib,. Joseph Pohl, Joseph Müller, Christian Güntzel, Karl Hübner, Mechel Güntzl, Gemeindwirth, Karl Hörn, Josef Gahler und Josef Altmann. Also 16 Quartiere waren von Juden besetzt. Und da hieß es schon gleich: „Welch eine Menge!" Die Namen der jüdischen Mieter sind nicht bekannt. Ein Leutnant aus Jungbunzlau war bestimmt, die Juden für Militärzwecke zusammen zu schreiben. Er teilt dem Magistrat vom 3. August 1793 mit: „Bey meiner Ankunft werde ich die vorfindigen Juden gleich vornehmen, damit sie in ihren Handlungsgeschäften nicht gehindert werden." Damals wohnten etwa 21 Personen jüd. Glaubens in R. Laut städt. Gerichts-Protokoll vom 12. April 1799 erfolgt eine neuerliche Konsignation. Sie wurde wie folgt begründet: „Welches wegen der hier befindlichen Handelsjuden, da der Zugang von. Juden nach R. immer häufiger und ihre Geschäfte nach und nach verwickelter werden, unter heutigen aufgenphmen worden." I. Jakob Rohnauer aus Polna. 2. Israel Widmann aus Polna. 3. Fried-rnann Hitler, als Bedienter des Widmann. 4. Elias Löwenthal aus Polna. 5. Markus Reisinann als sein Bedienter. 6. Samuel Rohnauer als Polna. 7. Leopold Strenitz aus Jungbunzlau. 8. Herzfelder aus Pirnitz. Fürwahr, eine kleine Liste! Der Magistrat ließ die Juden unbehelligt. Ja unter den beiden Bürgermeistern Joseph Neuhäuser und besonders Johann Friedrich Treu k ler erfreuten sie sich eines gewissen Wohlwollens seitens der städt. Behörden. Bürgermeister Trenkler wird daher in einer Pasquille „Judenknecht" genannt. Im Sommer 1782 bitten die Juden aus Böhm. Leipa und.Böhm. Áicha das Bürgermeisteramt, der Maria-Geburtsmarkttag möchte 8 Tage früher abgehalten werden, weil den 9. und 10. September die Juden gerade ihre Feiertage haben. Sie bieten auch der Gemeindekassa-zwei Dukaten als Geschenk an. Im Stadtbuch heißt es nun: „Da dieses nun nicht schadet, sondern nütze, so wird der Jahrmarkt für diehses Mal auf den 2. September a. c. ausgerufen." Der Magistrat war nicht immer so gemütlich. Als die Böhm. Leipaer Juden im J. 1809 mit einem ähnlichen Verlangen kamen, wurden sie glatt abgewiesen. Freilich fehlten diesmal die Dukaten, die dem Ersuchen Nachdruck verliehen hätten. Damals regte sich in der hiesigen Ratsstube ein leiser oppositioneller Zug gegen das Obrigkeits-amt. Der geistige Lenker dieser selbständigen Re- 533 Reichenberg 3