Geschichte der Juden in Marienbad. Bearbeitet von Dr. Josef Steiner, Marienbad. iVlarienbad (c. Mariánské Lázně) ist anfangs des XIX. Jhts. entstanden. Die erste Ansiedlung von Juden soll nach mündlicher Überlieferung im J. 1820 erfolgt sein. Daß die Juden aus1 der Umgebung in der ersten Zeit nur in den Sommermooiaten, während sie Geschäfte in M. machten, hierher kamen, ist ja bekannt. Erst später, als sie sahen, daß sie hier dauernde Existenz finden könnten, ließen sie sich in M. nieder. Zu den ersten jüdischen Ansiedlern in M. zählte man die Familien F i s c h 1 und DavidPfeifer. Auch die Zahl der jüdischen Kurgäste nahm immer mehr zu und es wurde ein Bethaus und eine jüdische Restauration errichtet. M. nahm einen weiteren Aufschwung und man wollte nun auch für die armen jüdischen Kurgäste ■ sorgen. Unter den ältesten Kurgästen waren die Herren Simon Jakob Bunzel und S. K. F r a n k 1 aus Prag, Jakob Rei11 er aus Klezan, A. H. Heymann aus Berlin u. a. Diese sammelten einen Betrag unter den Kurgästen und unterstützten auch selbst die Bedürftigen. Sie kauften vom Stifte Tepl ein Grundstück und erbauten darauf ein Haus. Dieses wurde im J. 1861 als isr. Hospital und Bethaus vom ORb. Dr. M e i s 1 aus Pest eingeweiht. — Nach und nach siedelten sich auch die Juden aus den umliegenden Gemeinden Königswart, Pauten, Schüttübe r und Dürrmaul in M. an. Diese benützten für den gemeinsamen Gottesdienst das Bethaus im Hospital. Dem Komitee zur Erbauung des Kurhospitals gehörten Ernst W e h 1 i und Dr. Matthias K o r e f an. Inspirator der Erbauung des Hauses war Simon Jakob Bunzel aus Prag, der diese wohltätige und humanitäre Sache wie selten ein Mann unterstützt und gefördert hat. Seit einer Reihe von Jahren wird im Bethaus des isr. Kurhospitals nicht mehr gebetet. Im J. 1930 wurde das Bethaus gänzlich aufgelassen, die Bänke kamen in den Wintertempel der K- G. M. Der gegenwärtige Lokaldirektor des Kurhospitals ist Herr Stadtrat Max Stingl, Hotelbesitzer in M, Als Vorsteher der nunmehr anwachsenden K. G. sind David Pfeifer vom J. 1824—1845, vom J. 1845—1863 Jonas Beck und Jakob F i s c h 1 tätig. Wie schon vorher ausgeführt, hat im J. 1861 ein Prager Komitee das isr. Kur- und Bethaus hier erbaut, in welchem arme Israeliten, welchem Lande immer angehörig, meist unentgeltlich Logis oder halbe Verpflegung fanden. In diesem Bethause wurde bis zum Bau der Synagoge, sowohl von den Einheimischen, als auch von den Kurgästen der Gottesdienst abgehalten. Im J. 1875 konstituierten sich die in M. ansässigen Juden zur K. G. und die vorgelegten Statuten wurden von der Statthalterei bestätigt. Wie schon oben bemerkt, bestand die Marienbader K. G. zunächst aus Mitgliedern der K. G. Königswart, Dürrmaul, Kuttenplan, Schüttüber, Pauten. Durch die Ansiedelung weiterer Glaubensgenossen wuchs die Gemeinde immer mehr und mehr, es kamen Juden auch aus anderen Staaten, wie Jugoslawien, Deutschland und Rußland nach M., welche den Boden für die Gründung eines Geschäftes für geeignet hielten und sich hier dauernd niederließen. So besteht die K. G. Marienbad nicht nur aus dem engen Kreise westböhmischer Juden, sondern aus Juden aus vielen Ländern und Staaten. lim J. 1884 wurde die große Synagoge, ein sehr schöner, solider Bau inmitten der Stadt, vom Baumeister Eduard Stern erbaut.SDies'es Gebäude in der Hauptstraße bildet eine Sehenswürdigkeit der Stadt. Eingeweiht wurde diese Synagoge Von Rb. Dr. Bernhard Löwenstein aus Lemberg, der öfters Sammlungen zugunsten des Tempelbaues veranlaßte und Vorlesungen zugunsten des Tempelbaues abgehalten hatte. Im J. 1898 wurde von der K. G. im Tempel eine Orgel errichtet. Ein besonderer Förderer dieser Orgelerrichtung war der Besitzer und Erbauer der Villa „Luginsland", Herr Max H alb m a ye r, Besitzer der Halbmayermühle in Pilsen, der selbst ein bekannter Orgelspieler war. Sehr viel verdankte die Gemeinde dem damaligen K. V. Salomon Simon. Dieser war Eigentümer des Hauses Stefanie, jetzt Villa Frank, zu welcher der Platz gehörte, auf dem jetzt der Tempel steht. Uneigennützig überließ er der Gemeinde den schönen Bauplatz neben seinem Hause, so daß die Synagoge in der Hauptstraße erbaut werden konnte. Der erste Matrikenführer der K. G. Marienbad war Veit Beck, der Jahrzehnte lang mustergültige Arbeit leistete. Bei dieser Gelegenheit muß noch hervorgehoben werden, daß Philipp L e d e r e r und Alois K o h n, lange Jahre Redakteur der „Marienbader Zeitung", beide hervorragende Männer waren. Alois Kohn war die Jahre der Minderjährigkeit der Besitzer, Prokurist der Buchdruckerei Gschihay. Die Zeitung war unter Alois Kohn geradezu hervorragend, er War Kandidat der Philosophie und ein seltener Schöngeist. Alois Kohn gab unter dem Pseudonym „Siola" auch einen Band schöner Gedichte heraus. Die Heldentafel für die Gefallenen im Weltkriege in der Synagoge weist folgende Namen auf: Franz Beck, Max Benisch, Alfred G e r s 11, Gustav Horowitz, Oswald Kraus, Max Leitner, Dr. Heinrich Löwenthal und Jakob R e i s s. In der früheren Zeit konnte auf Grund der Wahlordnung niemals ein Jude Stadtratsmitglied werden. Erst als die Tschechoslow. Republik entstand und1 eine neue Gemeindewahlordnung geschaffen wurde, kam es auch zu jüd. Stadträten. Der erste war Herr Emil B a r u c h, dem die K. G. Marienbad sehr viel verdankt. Unter ihm, als K. V., wurde die Zeremonienhalle auf dem isr. Friedhofe erbaut, Nach ihm wurde Herr Fritz B u x b a u m Stadtrat und K. V. Dieser hat ebenfalls getrachtet, den Namen der K. G. zu einem I INI mm Emil Baruch Dr. Josef Steiner Rb. Ďr. J. Diamant bedeutenden zu machen. Er kaufte vom Stifte Tepl ein Grundstück zur Vergrößerung des Friedhofes und ließ eine neue Friedhof smauer nebst einem Wohnhaus für den neuen Friedhofsgärtner erbauen, da es an der Bewachung des Friedhofes bisher gefehlt hatte. Auch in finanzieller Hinsicht brachte er die K. G. auf ein höheres Niveau. Der erste Rb. Dr. E. Gojtein übersiedelte ins Ausland. Nach der Errichtung der Zeremonienhalle auf dem Friedhofe wurde Dr. Goldberger als Rb. berufen. Der gegenwärtige Rb. der Gemeinde ist Dr. J. Diamant-Er ist am 27. Juli 1877 in Tyr-nau geboren, bekleideteTjereite- (1905) die Stelle eines Rb. in-Hörn (N.-Öst.) und 1906 die iläbbinerstelle in Krems an der Donau. Seit 1911 wirkt er in M. Er ist der Sohn des Rb. Dr. Adolf Diamant in Scharia in Mähren. Eine hervorragende Tätigkeit entfaltet der Rb. in der Seelsorge und dem Schulunterrichte. Mitt- lerweile wurde das städtische Untergymnasium ein öffentliches, so daß der Rb. nicht nur Unterricht in der Volks- und Bürgerschule, sondern auch am Gymnasium zu bestreiten hat. ' So hat sich die K. G. Marienbad zu einer bedeutenden entwickelt. Sie hat alle Erfordernisse einer großen Gemeinde und umfaßt eine Synagoge, einen großen Friedhof mit Zeremonienhalle, ferner das isr. Kurhospital, dessen Direktion sich in Prag befindet, und eine Ch. K. An der Synagoge ist ein Seelsorger, ein Okt. und ein Kt. tätig. Die Synagoe ist herrlich elektrisch beleuchtet. Die Ausführungen dieses Artikels verdankt der Schreiber dieser Arbeit, welcher selbst früher K. V. war, den vom gegenwärtigen Rb. Herrn Dr. J. Diamant gesammelten Quellen, welche die Möglichkeit zur Ausführung dieses Artikels geboten haben.