Geschichte der Juden in Lichtenstadt, Neudek und St. Joachiinstal. Bearbeitet von Dr. Gustav T r ei x l er, Graslitz. A-uch für die Bergstädte Neudek und St. Joachimstal, ebenso wie für Abertham, Bärringen, Früh-buß und Platten galt das kaiserliche Mandat vom 6. August 1568, welches den Juden den ständigen Aufenthalt in den Bergstädten verbot, da man sie, und wohl nicht mit Unrecht, beschuldigte, hie und da unerlaubter Weise Handel mit Metallen undl Erzen und Schmuggel getrieben zu haben; aber auch in der Badestadt Karlsbad durften sie früher ihren Aufenthalt nicht nehmen. Und gerade dieser Ört und die erzgebirgischen Bergstädte boten ihnen die Möglichkeit, zu einer Zeit, wo sie sich eigentlich ausschließlich nur vom Handel ernähren durften, den Lebensunterhalt in bequemerer Weise erwerben zu können, und so ist es denn begreiflich, daß sie steh seit der Mitte des 16. Jhts. wenigstens in der Nähe jener genannten Siedlungen ansässig machten, um leichter, wegen ihrer zumeist ärmlichen Verhältnisse, zu Fuß und mit möglichst geringem Zeitaufwand dorthin gelangen zu können. Über die Zeit vor 1568 ist uns nicht bekannt, ob etwa schon vereinzelte Juden in jenen Städten wohnten. Aber seither entwickelte sich namentlich in dem nur etwa zwei Gehstunden von Karlsbad gelegenen Städtchen LICHTENSTADT (č. Hroznětín), das zur toskanischen Herrschaft Schlackenwerth gehörte, allmählich eine größere Judengemeinde. Hier gibt es einen uralten Judenfriedhof und eine alte Synagoge; die Sage will sogar wissen, daß jener bereits 1000 Jahre alt sei, was natürlich eine arge Übertreibung ist. Aber auf ein Alter von mehreren hundert Jahren kann er zurückschauen, was eine genauere Untersuchung der ältesten Grabsteine bestätigen würde. Leider sind über die Geschichte dieser altehrwürdigen Judengemeinde keinerlei Aufzeichnungen vorfindlich und man ist nur auf gelegentliche Eintragungen in den Joachimstaler und in den Karlsbader Archivbeständen angewiesen, von denen indessen jene in dieser Richtung noch nicht ausgeschöpft wurden. Nach freundlicher Mitteilung des Herrn Stadtarchivars Dr. Heribert S tu r m in Joachimstal wäre dort manche Notiz aufzufinden; es handelt sich dabei in der Regel um Streitfälle, da immer wieder jüdische Händler bei verbotenen Geschäften ertappt und dafür zur Bestrafung gezogen wurden. Aus Bondy-Dwors k y, I. Band, Nr. 729, wissen wir, daß es im Jahre 1570 in L. 16 Juden gab, die zur Zahlung der vom Landtage bewilligten Tür-kensťeuer verpflichtet waren. — Aus dem Buch des Dr. Max Freudenthal „Die jüdischen Besucher der Leipziger Messe in den Jahren 1675-—1699", Frankfurt a. M. 1902, erfahren wir, daß in jener Zeit eine größere Anzahl von Lichtenstädter Juden die Leipziger Messe zu besuchen pflegte. Es werden nachstehende Namen genannt: Salomon Abraham 1679, Abraham Aron 1683 und 1684, Jakob Aron 1668 und D. Seckel Aron 1679, Lemmel Ascherle 1679, Joachim David 1676 und 1678, Joachim Gerstell 1675, Meyer Joachim 1688, Schlom Lemmel 1676 und 1677, Joachim Lederer 1681—1683. Isaak Levi 1668, 1676 und 1679, Israel Löbel 1689, Salomon Levi 1668 und 1675—1691, dessen Söhne Am-schel 1676 und Simon 1675 und 1679, Veit Moses Levi 1678—1685, Markus Lichtenstadt 1689, Joachim Meyer 1676—1687, Markus Meyer 1687—1696, Abraham Moses 1690—1695, Senior Moses 1676, Salomon Nathan 1675 und 1676, Hirschel Schlaum 1675—1679 und 1682, Gomperz Samuel 1693, David Wiener 1683 und 1684; wie man sieht, sind manche darunter, die eine Reihe von Jahren ständig wiederkehrten, so Salomon Levi 18 mal, Joachim Meyer 12-, Markus Meyer 10-, andere 8- und 6 mal. — Auch in der Re-sponsenliteratur kommen öfter Lichtenstädter vor: Es werden genannt der Vorsteher Lob Lichtenstadt (in R. Ezechiel Landau, „Noda bi Jehuda", aus den Jahren 1755—1810, Nr. Io 34), 1815 der Rabbiner Josef Lasch Lernerx) von Lichtenstadt (in den Re-sponsén von Eleasar Fleckeies „Teschuba meahaba" aus den Jahren 1778—1819, 255) und der Rabbiner R. Israel iii Lichtenstadt (in Kedesch Naftali, II, 377). Über die Beziehungen der Lichtenstädter Juden zu Karlsbad sind wir diurch Dr. J. Zieglers „Dokumente zur Geschichte der Juden in Karlsbad (1791 bis 1869)", Karlsbad 1913, Verlag von Rudolf Hengstenberg, wohl unterrichtet: Die jüdischen Bewohner von Lichtenstadt waren nahezu ausschließlich ■ Hausierer, die sich und ihre Angehörigen schlecht und recht und gewiß oftmals unter großen Beschwerden durchbrachten. Als sich nun in ihrer Nähe Karlsbad immer mehr zum vornehmen Weltkurort entwickelte, übte dieses natürlich auf die armen Lichtenstädter Juden eine stetig steigende Anziehungskraft aus und immer mehr von ihnen suchten sich, trotzdem es verboten war, in K. ständig anzusiedeln. K. hatte nämlich seit 1499 das Recht, Juden nicht in seinen Mauern dulden zu müssen. Allerdings konnten die mißgünstigen Konkurrenten der Lichtenstädter Händler, die christlichen Geschäftsleute der Badestädt, jenen Juden, die einen ordnungsgemäß ausgestellten Hausierschein ihrer Kreisbehörde besaßen, das Hausieren, besonders während der Marktzeiten, nicht verwehren und in K. wurde die ganze Kurzeit vom 1. Mai bis 30. September jedes Jahres als Marktzeit betrachtet. Aber auch während dieser 5 Monate sollten die Juden immer wenigstens am Freitag nach Hause gehen und während d,er übrigen Zeit, in den winterlichen Monaten, hätte man sie gern gar nicht in die Stadt^ gelassen. Die Juden anderseits wußten sich durch Hausierpässe und andere Bewilligungen zu schützen, wohnten überhaupt oft gänzlich mit Weib und Kindern, von welchen sie in ihrem Handel ebenfalls unterstützt wurden, in der Stadt, trotzdem die Behörde auch ihren christlichen Untertanen bei strenger Strafe wiederholt verbot, Juden ständige Wohnungen oder Magazine zu vermieten, und legten sich reichhaltige Warenlager an. Später wußten manche durch ärztliche Zeugnisse die Erlaubnis zu erlangen, daß sie auch während des Winters in K. bleiben durften, aber immer wieder kam es zu Anzeigen, Untersuchungen und wiederholten gewaltsamen Abschiebungen der Betroffenen nach L. und zu Bestrafungen von Juden und Christen. So ging der Krieg von 1791 bis 1855 mit wechselndem Erfolg weiter, endete aber schließlich doch mit dem vollen Sieg der Juden, welchen schon 1848 und nach einer kurzen Reaktion (von 1853 bis 1855) seit 1856 die uneingeschränkte Erlaubnis gewährt wurde, in K. zu wohnen. Der erste Lichtenstädter Jude, der in K. erwähnt wird, ist der Jude Mose h, der schon 1610 mit der Witwe des Hanuß Siegurd einen Geldvergleich schloß. Im Mai 1764 überreichte der Jude Nathan aus L. im Namen aller die Bitte, den Juden „das Hausierengehen mit unverdruckten Waren" zu gestatten, was gegen Zahlung des Marktgeldes bewilligt wurde. Am 7. März 1791 wurde die erste Eingabe des Bürgerausschusses von K. an den Magistrat gerichtet, der sich gegen die immer stärker fühlbar werdende Konkurrenz der Juden wendete. Am 10. Jänner 1800 wurden über eine neue Anzeige in einer-Sitzung des Stadtrates christliche Bürger der Siadt vorgerufen und verhört, bei denen Juden wohnten. Es waren schon 10 Familien und Einzelpersonen, nämlich Josef Moser, Rosenbaum, Salomon Herzlieb, später immer Benedikt genannt, die Lämlin, Schneider, ein zweiter Moser, Wolf Moises, die alte Lederin, Josef Teller und der Lederer Götzl, deren Hausherren freilich alle angaben, daß ihre Mieter nur vorübergehend bei ihnen seien. Schon mindestens 1784 gab es zur Kurzeit in K. einen Garküchler für die fromme Judenschaft, den Lichtenstädter Schutzjuden Josef Lazar; 1799 waren bereits 3 jüdiscHe Gastwirte vorhanden, Herzlieb, Schneider und Moser, während Josef Moser und Rosenbaum im Sommer einen Verkaufsladen auf der „Wiese" betrieben. Am 6. Mai 1795 schrieb. Seligmann B o n d i, Bezirkssteuereinnehmer in L., es möge der Judith Herzliebin die ihr eingestellte Trakteursführung für jüdische Badegäste wieder gestattet werden. Dies wurde ihr nach langer Verhandlung bewilligt, aber sie durfte weder ihren Vater Simon, noch ihren Verlobten (oder eigentlich ihren Mann, mit dem sie nur rituell getraut war) David Moser in ihre Wohnung aufnehmen. Damals mischte sich auch der Kreisrabbiner I s a i a s L e w i mit einem aus Falkenau datierten Schreiben in die Sache. 1805 ersuchte Herr Benedikt aus L. vergebens um die gleiche Erlaubnis. 1806 wurde, vergebens, beschlossen, den Juden im Winter nur an den ersten drei Tagen jeder Woche das Hausieren in der Stadt zu gestatten. Im Jahre 1814 wurde festgestellt, daß 15 Lichtenstädter ständig in K. wohnten: Řachl Roßenbaum, Rachl Löwenstein, Juda Eckstein, Salomon Benedikt, Löwi Teller, Israel Ulmann, Markus Maier, Joachim Bleier, Josef Moßer, die alte Lederin, die alte Herzl, Simon Strauß, Benjamin Lederer, die Witwe Löwenstein und David Moßer. Trotzdem alle damals den strengsten Befehl erhielten, binnen 3 Tagen wegzuziehen, waren 3 Jahre später doch wieder 15 jüdische Hausbesitzer aus L. ununterbrochen in K., darunter neu Salomon Fischer, Josef Lederer, Salomon Mayer, Kaiman Ek-stein, Moses Löwenstein, Jakob Rosenbaum, Josef Rosenbaum, Aron Löwenstein, Joachim Lederer; von vielleicht 30 jüdischen Bewohnern der Kurstadt war im ganzen ungefähr die Hälfte aus L. Als man ihnen die Erlaubnis, in der Kurzeit zu hausieren, um 1 Monat verkürzen wollte, wehrten sich die Juden sofort und 5 Lichtenstädter beriefen mit Erfolg • gegen die Verfügung (1824). Im Jahre 1825 wurde ermittelt, daß Sibylla Mayer, Joachim Pleier, Rebekka Teller, Markus Mayer, Löw Beer, Rachl Benedikt, Moises Löwenstein und Rachl Rosenbaum, obwohl als einfache Hausierer dazu nicht berechtigt, offene Gewölbe gemietet hätten; es wurde ihnen verboten, ihre dagegen eingebrachte Berufung natürlich verworfen. Nur Joachim Schwalb, der Kaufmann war, durfte seinen Laden beibehalten. Im Jahre 1829 fanden sich 23 jüdische Familien als ständige Bewohner der Stadt, wovon einige schon nach ihrer Aussage an 30 Jahre ununterbrochen anwesend waren. Aber erst 1830 wurde es dem Träiteur David Moser wirklich von der Obrigkeit gestattet, mit seiner Familie auch während der Wintermónate in K. zu verbleiben. Wieder gab es Denunziationen 1831, diesmal unter Hinweis darauf, daß durch die Juden sehr leicht die Cholera eingeschleppt werden könnte. Die abermalige Ausweisung wurde beschlossen, Gesuche einzelner um Erlaubnis, fortwährend in K. zu bleiben, wie des Löw Teller, des Gerbers Simon Benedikt, wurden abgelehnt. 1833 finden sich in der Stadt der Träiteur Lederer, der Lederhändler Moritz Rosenfeld, die Familie Beer, sowie 34 andere jüdische Familien, die sich durch ärztliche Zeugnisse den längeren Aufenthalt zú erwirken wußten; 1834 waren es 30 Familien und im nächsten Jahr wurde amtlich festgestellt, daß Salomon Benedikt mehr als 30 Jahre, Markus Rosenfeld 20, Löw Beer 12, Salomon Mayer über 10, andere 5, 4, 2 Jahre hier wohnten. Im Jahre 1838 wohnten bereits 71 jüdische Familien außer der Kurzeit in K. Als 1838 Josef Lederer ein Gewölbe mieten wollte, wurde ihm dies verboten und er -mußte es durch einen Christen mieten lassen. Da man auch den Träiteur Lazar Moser ausweisen wollte, konnte er sich 1839 mit Erfolg auf sein früheres Privilegium berufen, das ihm sein Vater abgetreten hatte. Während all dieser Verwicklungen mußten natürlich die in K. wohnenden Lichtenstädter in ihrem Heimatort ihre Synagogenbeiträge bezahlen, die in der Regel der Karlsbader Magistrat einhob. Erst am 29. August 1839 erfioß endlich eine Gubernialentscheidung, die besagte: „Es bleibt den Juden unbenommen, in Karlsbad nach Belieben den Handel als Hausierer und nach Kaufmannsart zu treiben.'' Die k. k. Hofkammer bestätigte diese Entscheidung am 14. August. 1840 und das Kreisamt mußte ebenfalls zustimmen. Als nach dem Aufschwung des J. 1848 wieder auf kurze Zeit der Rückschritt siegreich schien, stellte man. fest, daß inzwischen 8 Häuser in K. von Juden angekauft worden waren, darunter von den Lichtenstädtern Simon Benedikt, Siegfried und Elise Rosenfeld, Israel und Esther Pick und Georg Bleyer. 1855 .wurde wieder ein Verzeichnis der anwesenden Israeliten aufgenommen, welches u. a. den Wechsler Bernard Sahwalb, den Galanteriehändler Moritz Rosenfeld, den Träiteur Moser enthält. Unter jenen, welche 1864 um Bildung einer selbständigen K. G. Karlsbad ansuchten, waren wieder die Lichtenstädter voran; das Gesuch war zuerst von Simon Benedikt, Schwalb, Moser, und weiter neben anderen Juden noch von einigen Lieh-