Geschichte der Juden in Graslitz. Bearbeitet von Dr. Gustav Treixler, Graslitz (mit Ergänzungen von Dr. Wilhelm Bloch und Gustav Kohn). In Graslitz (č. Kraslice) hat es niemals eine Judengemeinde gegeben; ob in alten Zeiten einzelne Juden daselbst ansässig waren, ist nicht bekannt, doch wäre es nicht unwahrscheinlich, daß bei dem raschen Aufschwung des Bergbaues im 16. Jht., der die Volkszahl des früher unbedeutenden Städtchens in wenigen Jahren auf 6000 anschwellen ließ, auch jüdische Händler hergezogen seien. Aber bald wurde dem jedenfalls Einhalt getan, denn seit 1541 gehörte Graslitz unter die „freien Bergstädte" und in solchen war Juden die ständige Ansiedlung untersagt. Auch HEINRICHSGRÜN, die zweite Stadt des jetzigen Bezirkes Graslitz, war, wohl schon seit der Stadtrechts Verleihung i. J. 1545, Bergstadt; von ihr gilt demnach das Gleiche wie von Graslitz, und in der Tat zeigt die Steuerrolla des Jahres 1654 weder in Graslitz und Heinrichsgrün, noch in einem der zu diesen beiden Gütern gehörigen Dörfer ein Judenhaus und auch in dem erhaltenen ältesten Graslitzer Gerichts- und Stadtbuch, welches 1552 angelegt wurde, ist niemals ein jüdischer Geschäftsmann erwähnt, obwohl darin sehr viele Geldgeschäfte verzeichnet sind und das Buch etwa 70 Jahre lang in Benützung stand. (Doch findet sich in .Ober-Rothau eine „Judengasse".) Erst. seit der Freizügigkeit der Juden können wir daher auch in G. und seiner Umgebung die Seßhaf tmachung jüdischer Familien erwarten. Anders mag es mit der dritten Herrschaft, SCHÖNBACH, bestellt gewesen sein, deren Orte heute ebenfalls zum Teil zum Graslitzer Bezirk gehören. Hier verzeichnet jene erwähnte Rolla, u. zw. in Schönbach selbst (jetzt zum Bezirk Wildstem gehörig), das Haiis Nr. 90 als „altes Judenhaus", „weilen sie vor Zeiten daselbst gewohnt", aus Schönbach übersiedelte nach 1848 Leopold See nach Graslitz und bei Schönbach liegt STEINGRUB, der Sitz einer alten J. G. Auch in Frankenhammer wohnte dereinst eine jüdische Familie; der Ort gehörte einmal zur Herrschaft Schönbach. Der erste jüdische Ansiedler in G. war etwa seit 1852, seit der Anlegung der Staatsstraßen, der Mauteinnehmer Löbl Löwenstein, der 1859 unter den Spendern aus Anlaß eines Konzertes genannt wird, dessen Reinerträgnis „zu Kriegszwecken" dem Bezirksamte übergeben wurde. Ihm folgten bald der Kaufmann Bernhard Pfefferkorn aus Klein-Schüttüber bei Eger, der sein Geschäft im ehemaligen Messanischen Hause, Kirchengasse 68, betrieb, und der erwähnte Tuchhändler See nach. Beiläufig i. J. 1878 errichtete die Prager Firma W. Löwenfeld über Anregung des bekannten Menschenfreundes Richard R. v. Dotzauer im benachbarten Grünberg eine Buntstickerei, die vielen armen Gebirgsbewohnern Arbeit und Verdienst verschaffte; sie besteht längst nicht mehr. Im j. 1885 wohnten in G. bereits 5 jüdische Familien, nämlich jene des Leopold Fischer, Jakob K o h n, Leopold Kohn, See und des Fabrikanten Wilhelm Schulz, von denen sich bis jetzt nur die zwei zuletztgenannten erhalten haben; Fischer übersiedelte nach Wien, Jakob Kohn nach Teplitz-Schönau, die Familie Leopold Kohns dürfte ausgestorben sein. Damals gehörten die Graslitzer Juden zur K. G. S t e i n g r u b, seit der Neuorganisation der K. G. in Böhmen 1895 sind sie der Gemeinde Falkenau a. d. E. einverleibt und beerdigen seitdem ihre Verstorbenen dort. Obwohl die Bevölkerung der Stadt früher der liberalen Partei angehörte, stand doch die große Masse, die noch kein Wahlrecht besaß, den jüdischen Mitbürgern so fremd gegenüber, daß es anläßlich der Erhöhung der Zuckersteuer bei den sog. Zuckerkrawallen auch hier zu einem kleinen Aufruhr kam, wobei den meisten jüdischen Bewohnern die Fenster eingeworfen wurden, und daß ein junger Arzt, der in Graslitz seine Praxis eröffnete, in den ersten Jahren nicht anders als mit einem geladenen Revolver über Land zu gehen wagte. Heute haben sich diese Verhältnisse gründlich geändert. Dr, Wilhelm Block Wilhelm Schulz Wilhelm Schulz wurde am 17. Feber 1850 in Wernirzow (č. Vernýřov) im Bezirk Kuttenberg geboren. Er war der dritte Sohn eines kleinen Dorfkaufmannes und Landwirtes, wurde schon im 10. Lebensjahr Doppelwaise und bald darauf starb noch der älteste Bruder, der seine jüngeren Geschwister bisher erhalten hatte, an einer Lungenentzündung, die er sich durch Überanstrengung im Geschäfte zugezogen hatte. Die 4 verbliebenen Geschwister wurden nun unter die Verwandten verteilt, Wilhelm kam bei der Gelegenheit nach Prag, wo er geschäftlich tätig war und zugleich das Gymnasium besuchte. Mit 17 Jahren wanderte er zu Fuß nach Budapest, wo es ihm zuerst recht schlecht ging, aber bald arbeitete er sich empor und begann, für seine Geschwister zu sorgen. Er errichtete die erste chemische Putzerei der 'Adalbert Fuchs Gustav Kohn Stadt, welches Unternehmen Erfolg hatte, und übersiedelte 1875 nach G., wo sein Schwager ein Likörgeschäft betrieb. In dieses trat er nach seiner Verheiratung ein, führte auch andere Verkaufsartikel ein und baute die Handlung bedeutend aus. Die noch bestehende Stickereifabrik wurde von ihm 1889 ins Leben gerufen; sie stand zuerst unter der Leitung Leopold Fischers. Schulz ging als erster Stickereierzeuger in G. daran, Handarbeiten in großzügiger Weise herzustellen und, nicht wie die anderen Graslitzer Unternehmer an die Fabrikanten in Klingental und Plauen, sondern durch Reisende direkt im ganzen Lande absetzen zu lassen, welche Betriebsart in kurzem allgemeine Nachahmung fand. Seit 1908 wurde der Betrieb in der früheren Christian Breinl-fabrik am Fuße des Hausbergs (Hausberggasse 739) geführt. Bei der Gründung des Graslitzer Stickereiverbandes 1910 wurde Schulz sofort in den Ausschuß gewählt und verblieh darin bis zu seinem Ableben. Während des Weltkrieges war er landesfürstlicher Lebensmittelkommissär für Stadt und Bezirk Graslitz. Hiebei entwickelte er ebenfalls eine eifrige Tätigkeit, bei der er aber ein inneres Leiden zu wenig beachtete, an dessen Folgen er am 19. November 1917 unter großen Schinerzen in Karlsbad starb. Die Fabrik übernahmen . die zwei Söhne Robert (der bei den letzten Nationalratswahlen als 2. Listenführer im Wahlbezirk Karlsbad für die zionistische Partei kandidierte) und Anton; sie führten sie unter dem Namen Gebrüder Schulz weiter und vergrößerten das Gebäude nach einem Brande vor einigen Jahren wesentlich. Von den übrigen 4 Söhnen ist Karl Kaufmann, Ferdinand Professor ar. der Staaťsreal-schule in Bergreichenstein, die Tochter 0 1 g"a ist die Witwe des im Kriegsdienste in einem' Militärspital verstorbenen Dr. Fritz W e i n f e 1 d, Bezirkstierarztes in Neuern; er hatte sich eine Infektion mit der furchtbaren Pferderotzkrankheit zugezogen, an der er verschied. Seit 1913 haben sich die Graslitzer Juden zu dem B. V. „Adass Isroel" zusammengeschlossen, der im Hause des MUDr. Wilhelm Bloch eine Wohnung zu einem Betlokal einrichtete. Die zur Verwendung gekommenen 2 Kandelaber beim Altar und die Bänke mit Pultladen sind 'Geschenke der K. G. Neuern, der Heimatsgemeinde Dr. Blochs, aus dem Inventar des bestandenen Tempels in D r o s a u (č. Strážov) im Bezirk Klattau, einer früher einmal größeren, nun eingegangenen J. G. Die Einweihung des Betlokals fand am 18. August 1913 unter zahlreicher Beteiligung einheimischer und als Gäste erschienener fremder Glaubensgenossen statt. Der B. V. wurde durch die Herren Gustav Kohn und Adalbert Fuchs als Tochtergemeinde der K. G. Falkenau a. d. E. gegründet; seit seinem Bestand ist Herr Kohn Obmann, Herr Fuchs Bethaoisverwalter und Funktionär des Vereins. Bei der Volkszählung 1921 befanden sich im Graslitzer Bezirk bereits 65 Juden, sämtlich in der Bezirkshauptstadt. Nach Herrn Kohns Auf Zeichnungen gibt es gegenwärtig in Graslitz 22 jüdische Familien mit 82 Köpfen. Seit 1885 siedelten sich hier an: Produktenhändler Lauscher, Advokat Dr. Leopold Steinďler, zuerst Konzipient in der Kanzlei seines Vorgängers, Med. Dr. Karl Theimer, JUDr. Rudolf Grünberg, Distriktsarzt Dr. Jacques Fürnberger (früher in Schwaderbach bei Graslitz), Advokat Dr. Wilhelm Eisenb erger, Jur. Dr. Otto Raumann, Jur. Dr. Oskar Hahn, Dr. F a 1 k, Konzipient bei Dr. Eisenberger, die Professoren Dr. S tei-n e r und M ä n d 1, Lehrer Rosenbaum, Kaufmann Leopold H o 1 z e r, der Inspektor der Buschtie-hrader Eisenbahn Arnold Kohn und dessen Schwester Frl. Regine Kohn, Bezirksarzt Dr. König, Steuerinspektor E i s 1 e r, Schirmerzeuger Goldmann, die Kaufleute P o 11 a k und Felix, Pelzwarenhändler David Adler, dessen Geschäftsführer Propper und der gewesene Gendarm und spätere Kaufmann Simon Hlawatsch. Auch der erste in Silb&rbach ansässige Distriktsarzt Dr. Polatšchek ist Jude. Alle diese sind wieder weggezogen oder gestorben. Gegenwärtig finden sich folgende Bürger jüdischer Abstammung in G. : Außer den schon erwähnten Herren Anton und Karl Schulz, dem Obmann Gustav Kohn, seit 1909 in G., Likörerzeuger (Goethegasse 608), und Dr. Wilhelm Bloch, der von 1919 bis 1931 Mitglied der Stadtvertretung, seit 1929 Stadtrat war und seit 1926 Chefarzt der Bezirkskranken-versiicherungsanstalt Graslitz ist, der Produlctenhänd-ler Adalbert Fuchs (seit 1889 in G.; sein Sohn Oskar Fuchs ist jetzt Inhaber der Firma), Advokat Dr. Elias R o t h f e 1 d, Stadt- und Distriktsarzt i. R. Dr. Heinrich Bäuml, Zahnarzt Dr. Otto Pick, Frau Amalie Stránský, Weißwarenerzeugerin, Mühlgasse 888, die Witwe des Gründers des Hauses und früheren Inhabers Max Stránský, die Familien Leffmann und K a s s o w i t z, Fabrikanten, Fabriksdirektor Otto Pick und Weißwarenerzeuger Paul Schmolka; seine Gattin Hella ist Dr. med. univ., Rudolf Lichtenstein ist Gymnasialprofessor, Emil T e w e 1 e s Buchdruckereibesitzer,- und wenn wir noch die Kaufleute Artur Kohn, Richard Gold und Alfred Löbl, die Familien Eben, Messinger u. Tropp, Karl See u. Richard Schneider nennen, so haben wir bis auf einige Beamte und Angestellte'fast alle jüdischen Bewohner von G. aufgezählt. — Den Religionsunterricht an den Graslitzer Schulen erteilt der jeweilige Rh. von Falkenau.