soll ein jeder Jude einen Falken abführen oder statt dessen ,je nach dem Willen des Herrn' ein Schock Meißner Groschen bezahlen. Alle Juden der' Břez-nitzer Herrschaft sollen zusammen ,zwei Klepper' (Pferde) für den eigenen Bedarf des Herrn, zu dessen Jagdzwecken halten und diese ihm leihweise zustellen. Auch das wurde ihnen eigens befohlen, daß sie kein anderes Bier beziehen dürfen, als jenes aus den Březnitzer brauberechtigten Häusern, außer daß in diesen kein Bier vorhanden sein sollte" —- bei Strafe von 1 Schock M. Gr. Diese letzterwähnte Verordnung, galt „sowohl für die einheimischen als auch für die fremden Juden". Die Verordnung der zwangsweisen Bestellung von „Kleppern" durch die Juden scheint eine lokale zeitgeschichtliche Gepflogenheit gewesen zu sein. Diese Březnitzer Juden-Klepper verwendete die Herrschaft außerdem für den vortrefflich organisierten Postnaphrichtendienst. - Im J. 1649 gab es in L. bereits 17 Judenfamilien und sechs Kaufläden. Jede der Familien mußte der Herrschaft alljährlich-7 Schock 42 Gr. und 6 D. abführen. Bald danach zeigt sich ein Niedergang -d«r Gemeinde, deren Ursache wir heute nur schwer feststellen könnten. Fünf Jahre später (1657) sind in L. nur mehr 2 Häuser, in denen die Juden ihren Handel und Gewerbe betreiben. Nach der Einführung der Institution der „böhmischen Kreisrabbinate" (im J. 1720) war auch L. der Sitz eines Krb. Dieser wohnte im Hause C.-Nr. III, welches noch heute „das Rabbinerhaus" genannt wird und welches Haus der K. G. von Joachim Edlem v. Popper testamentarisch gewidmet worden ist (vide „Testament des Joachim Edlen v. Popper".; im Instruktionsbuch Nr. 467, sub 18. Juli 1795, und auch im Buche von Prof. S. Krauss „Joachim v. Popper", S. 93). In demselben Hause war auch ein rituelles Bad und im kleinen Hof war eine Laubhütte, ferner wurde auch dort das Kleingeflügel geschlachtet, während die Schlachtbank für Großvieh unmittelbar hinter der Synagoge stand. Die Funktionen des Schoehet und des Schamasch waren gewöhnlich in einer Person vereint. Seit zirka 20 Jahren ist in B. kein Krb. mehr. In den letzten Jahren des Bestandes dieser Institution war ein solcher in dem nahen Bergstädtchen Příbram. Von hier aus besuchte B. noch der letzte Funktionär Ph. Dr. M. K o h n, einer der ersten cechisch.-jüd. Prediger und Verfasser von Lehrbüchern. Der kaiserl. Prokurator Jeníšek von Üjezd erwarb die Herrschaft B. im J. 1623 und starb kinderlos im J. 1651. Die Herrschaft überging in den Besitz seines Neffen, Příbik Franz von Üjezd, welcher im J. 1661 starb und zwei minderjährige Söhne Franz und Johann Josef, ferner eine Tochter hinterließ. Die Verwaltung der Güter hatte die Witwe Hedwig Barbara Jeníšek, geb. von Rozdrašóv, inne. Im J, 1668 wurde der ältere Sohn Franz großjährig und übernahm die Verwaltung der Herrschaft. Er starb jedoch im J. 1677 in Freiburg und sein Bruder Johann Josef von Üjezd übernahm dessen Erbe. Dieser neue Besitzer der Herrschaft B. nahm die auf seinen Gütern ansässigen Juden in seinen ganz besonderen Schutz. Im J. 1715 waren in L. 21 Familien,. im J. 1725 bereits 25 Familien. In einer, den Judenältesten gegebenen Urkunde bietet er ihnen Handelsschutz und Freiheit, verpflichtet sie aber zur werktätigen Mithilfe beim Brande. Die Juden behalten ferner ihre „Schule" (wahrscheinlich die Synagoge) und Friedhof; weil ein Familienvater seinen verheirateten Sohn oder Tochter mit samt deren Familie bei sich behalten darf, soll eine jede solche Familie alljähr- lich «inen Hut Zucker und 10 Schock Meißner Groschen abführen. Auch dürfen sie einen „felcar" (Arzt, hier wahrscheinlich auch d.er Mohel) und einen Rb. halten. Ihre sonstigen Abgaben und Pflichten an die Herrschaft sind zufolge dieser Urkunde: zu Weihnachten 2 Dtzd. schöne Limoni und 3 Hüte Zucker, zu den Osterfeiertagen 5 Falken oder als Ersatz für solche 3 fl. für jeden Falken. Die J. G. soll zu Neujahr für die Hütte „Na Čampulce" (beim jüd. Friedhof) 4 fl. 30 kr., zu St. Georgi 4 Pfund gemahlenes Pulver und ein Pfund Pfeffer oder hiefür 2 fl. abführen. Sie sollen ferner alle Häute und Felle sowohl von den geschlachteten, erlegten, als auch von ■ dem verendeten Vieh der Herrschaft abkaufen. Von dem Hause, welches sie für ihren Lehrer erbaut haben (C.-Nr. XXI), sollen sie alljährlich zwei Dukaten und einen 3 Pfund schweren Zuckerhut abführen und sie sollen auch das Bier aus der herrschaftl. Brauerei beziehen. Traurige Zeiten erlebte B. und die Judenstadt L. im J. 1757, zur Zeit der preußischen Invasion. Am 5. Juni jenes Jahres quartierten sich hier die Preußen unter dem Kommando des Rittmeisters Valion ein; als sie nach einiger Zeit wieder abmarschierten, nahmen sie an herrschaftl. Geldern 1690 fl. und dem Juden V y s o c k ý 317 fl. 36 kr. mit; das alles schleppten sie in das preußische Heereslager auf dem Weißen Berge. Die Zeit des den Herren von. Üjezd nachfolgenden Geschlechtes der Kolovrat-Krakovský, welche verpflichtet waren, den Namenszusatz „von Üjezd". weiterzuführen (1727—1872), wird als die Glanzperiode und der Gipfel des Wohlstandes des Březnitzer Ghettos bezeichnet. Es dürfte auch kein Zufall sein, ■ daß das kaiserl. Adelsdiplom des Joachim Edlen v. P o p-p e r die Unterschrift des. Leopold Grafen von Kolovrat trägt. (Prof. S. Krauss, S. 90.) Zur Březnitzer Herrschaft gehörte auch eine Brennerei und eine „flusárna" (Pottaschefabrikation), die von der Herrschaft immer an einen Juden verpachtet wurde. Ein solcher Pachtkontrakt ist erhalten und trägt die Unterschrift: „Moses Fuhrmann, Branntweinjude." Als im J. 1720 das Kreisrabbinat in B. gegründet wurde, wollten dies Juden eine neue Schule errichten, und zwar an Stelle eines von der Herrschaft erstandenen Häuschens. Es war dies das Haus C.-Nr. XXI. Weder die Herrschaft noch die Bürger und Nachbarn halten irgend welche Einwände gegen den beabsichtigten Bau der Schule erhoben; wohl aber erließ in dieser Sache das fürsterzbischöfliche Konsistorium zu Prag einen geharnischten Protest dagegen. Es kam zu einem langwierigen Prozeß, den die J. G., wie dies ja gar nicht anders zu erwarten war, verlor. Der Hauptgrund, weshalb die Klage der Juden abgewiesen wurde, war folgender: die beabsichtigte Judenschule würde in der unmittelbaren Nähe des Kirch-leins zu St. Nikolaus stehen, was zu einem Ärgernis der Katholiken führen könnte . . . Drei auf diesen Prozeß bezughabende Dokumente sind im Besitze des Herrn Dir. Julius Lederer in B. Das erste dto. 6. Juni 1791 beginnt also: „Judenstadt L., Gemeind oder Rabbiners-Wohnung C. N. XXI. Kund zu wissen seije jeder männiglich besonders da, wo vonnöthen ist," — der kurze Inhalt der Urkunde: Nach dem Ableben des Primators der böhm. Landesjudenschaft Wolf Popper ist eine Urkunde in Verlust geraten resp; in den Verlassenschaftspapieren nicht aufgefunden worden. Diese beinhaltete einen Vertrag der „Březnitzer Judenschafť' mit dem „Josef Johann Freyherrn von Üjezd" aus dem J. 1725, welcher Ver- trag in einem ^derzeit nicftt mehr aurlmclbarenj jüdischen Amtskontraktenbuch, Fol. I, registriert worden ist. Der fünfte Absatz jenes Vertrages enthielt das Abkommen mit der Herrschaft wegen jenes käuflich erstandenen Hauses C.-Nr. XXI, welches hier „die Gemein- oder Schulsingers Wohnung" genannt wird. Pie jüd. Gemeinde verpflichtet sich für dieses Haus zu folgenden Leistungen: Alljährlicher Pachtzins 8 fl. 30 kr., ferner zu einem. 3pfündigen Zuckerhut oder hiefür 1 fl. 30 kr., zusammen 10 fl. Sie verpflichtet sich, dieses Haus in bester Ordnung zu verwalten. Die freie Bogenhälfte der Urkunde trägt die kaligraphische Unterschrift: „Herrschaft Březnitz — Juden — Hauss-Kontrakt für die . Juden-Gemeinde oder Schulsingers Wohnung in L. CN. XXI, Grund-buch-Fol. 180", darunter ein in hebräischer. Schrift verfaßter Zusatz: „Kehilas-Haus-Kontrakt." Die zweite Urkunde ist datiert: „geben zu Wienn, den 21ten April anno* 1731" und ist von „Wilhelm Graff Kollowrath Freyherr v. Üjezd" unterscjirieben. Die Urkunde stützt sich auf einen kaiserl. Erlaß „dto 9ten 8 bris 1726", welche eine strenge Absonderung der jüdischen Wobnstätten von jenen der Christen fordert, der zufolge den Juden von B. die. „Transferierung'1 in die Gegend „auf dem sogenannten Lokschan", wo ihnen „aus Gnaden des verstorbenen Freiherrn von Üjezd" die neuen Wohnhäuser erbaut worden sind, angeordnet wurde. Dort wurde auch die Wohnung für ihren „Schulsinger" errichtet, für welche sie alljährlich eine Pacht von 46 fl. 40 kr. zu entrichten haben. Diese „Juden-Schuel" war anfangs aus Holz und derart herabgekommen, daß der Herr Graf ein neues Wohnhaus ' errichten ließ. Für diese neue „Juden Schuel" sollen nun die Juden 50Ö, fl. zahlen, und zwar „-zu St. Georgi anno 1731" 100 fl., weiters von 1732 bis 1735 je 75 fl. und im J. 1736 wieder 100 tf 1. Alle diese Pachtbedingungen sind in diesen Kontrakt einbezogen worden und sind intabuliert „bey der bržeznitzer Würtschafts-Cantzley neue verfertigte Prothocoll und zur sicherer Beybehaltung von jetzt und ins Künftige ■ gehandhabet werde, welches auch hiemit gnaedigst ratificiert wird". Die dritte Urkunde ist vom 17. März 1728 und betrifft das erwähnte Verbot der beabsichtigten jüd. Schule und die ■Motivierung „infolge der Nähe der christl. Wohnstätten". Sie trägt die Überschrift „Uebersetzet aus dem Lateinischen!" und ist adressiert: „Dem Ehrwürdigen und Geliebten Tobias Wenzeslaus Wrba, Seelsorger in Bubowitz abzugeben." Wir erfahren aus dieser Urkunde, daß der Herr Baron von Ujezd dem fürsterzbischöflichen Konsistorium eine Bittschrift gesandt hat, diese möge den Juden die Errichtung einer Schule im Hause Lokschan C.-Nr. XXI gestatten. Damals dürfte dieses Haus nicht allein die Front zum Platze in L., sondern auch eine zum Stadtplatze B. gehabt haben, denn das heutige Haus C-Nr. XXI erscheint uns als eine unscheinbare Enklave zwischen den Häusern des Adolf Weil und Zikm. Stefan-s k y, so daß heute tatsächlich kein Fenster zum Stadtplätze besteht. Damals zur Zeit der beabsichtigten Errichtung einer jüd. Schule — war gerade der Umstand, daß das Haus „zwischen den Christenhäusern steht", der Stein des Anstoßes! Aus diesem Anlasse teilt der erzbischöfliche Vikarius Ferdinand „für seine eigene Person, sowie namens des gesamten fürsterzbischöflichen Konsistorium" mit, daß dieser Bitte nicht willfahrt werden kann, sondern daß die Juden ihre Schule an jene entlegenen Stellen des sogenannten L. verlegen sollen, welche ihnen zum Aufenthalte zugewiesen worden siud. Dabei hat das Konsistorium den guten Willen und die fromme Denkungsart erwiesen und der „cancellarius Joanes Juck" scbreibt darüber tolgend: „— gleichwie wir derlei artigen andächtigen und lobenswerthen Anstalten auf keine Weisse entgegenseyn wollen, só entschliessen wir, dass die gedachte Jüdische Schule, die in der christl. Mitte und nahe der christl. Kirche (was unwahr ist!) gelegen ist, an den nämlichen Ort, auf welchen diese Juden übersetzet sind, zu übertragen." In B. war wie in anderen Städten eine Drahtgrenze zwischen der Juden- und Christenstadt aus dem Grunde nicht notwendig, weil-die Judenstadt L. — auch heute noch — ein durch die Pforte vollständig von der Christenstadt abgesonderter Stadtteil ist. Die Judenschule, um welche ein so heftiger Kampf geführt wurde, wurde im J. 1725 in der Mitte des' zweiten Lokschaner Platzes errichtet; das Kirchlein jedoch, welches der ursprünglich projektierten Errichtung im Wege stand, wurde kurz darauf demoliert und derart dem Erdboden gleichgemacht, daß heute die Březnitzer Bürger überhaupt nicht mehr wissen, wo dieses Gotteshaus stand. In dem Verzeichnis der „Leipziger Messgäste" von Dr. M. Freudenthal findet sich auch B. vor, und zwar: Abraham Bernhard 1738 bei Wolff Popper, Abraham Jakob (auch Jakob Abraham) 1730, 38, Wolff Loebl ' i 738, Veitel Moses 1689, Joachim Popper 1752, Simon Popper 1723 bei Wolff Popper, Wolff Popper 1722—24, 28—30, 34, 36—38, 52, mit Loebl He-nig aus Kuttenplan 28—30 und 34, Gerstl Simon 1727, Salomon Simon 1720, Isak Veit 1712. (Die Jahreszahlen bedeuten die Teilnahme der Březnitzer Juden an den Leipziger Messen.) Die Volkszählung vom J. 1824 verzeichnete für' L. 22 Judenhäuser mit 145 Einwohnern. Nach Sommers „Topographie des Prachiner Kreises", S. 78, waren im J. 1840 in der ganzen Březnitzer Herrschaft — die Stadt B. ausgenommen — 3711 Personen, darunter 23 jüd. Familien. Auf S. 78 ist die Stadt Březnitz mit 87 Häusern und 820 Einwohnern, „die Vorstadt"" mit 114 Häusern und 946 Einwohnern, der Schlpßkom-plex mit 25 Häusern und 210 Einwohnern angegeben. Nach neueren Volkszählungen waren: in B. inklusive L. im J. 1900 — 118 Juden, im J. 1910 — 68 Juden; in Drahenice im J. 1900 — 1 Jude, imj. 1910 —■ keiner; in Rožmital im J. 1900 — 17, im J. 191Ö — 6; in Nestrašovice im J. 1900 — keiner, im J. 1910 — 4; in Tochovice im J. 1900 — 14, im J. 1910 — 7; in Uzenice im J. 1900 — 5, im J. 1910 — 7; in Vie-vily im J. 1900 — 2, im J. 1910 — keiner; in Zaběhlá im J. 1900 — 2, im JL.1910 — keine Juden. Die Vorstadt L. bildete trotz der unmittelbaren Nähe von B. „eine von dieser Stadt vollständig unabhängige, in sich abgeschlossene Stadt für sich". Hier war eine zahlreiche J. G. im engen Räume aneinander-gepreßt und verblieb hier in unveränderten Verhältnissen noch lange nach dem Jahre der Emanzipation, dem J. 1848. Erst der Zeitraum der letzten 10 bis 20 Jahre hat dem Ghetto ein Ende bereitet; in dieser Zeit beginnt ein Abflauen der Juden vom Lande an die größeren Städte. . Wenn wir nach den Gründen forschen, welche die Juden noch beinahe ein volles Jht. nach deren Befreiung in den engen Mauern des Ghetto Melt, so finden wir, daß neben ihren materiellen Bedürfnissen (Handel, Beruf) auch ethische Gründe den Ausschlag gaben. Viele Erinnerungen, welche uns diese Lebensbedingungen erklären könnten, sind uns infolge der Gleichgültigkeit der neu herangewachsenen Generation zu allen, den väterlichen Traditionen, selbst zu jenen, die noch den Großvätern allerheiligst waren, unwiderruflich verloren gegangen. Sehr willkommen war der Fund eines zahlreichen Schriftenmaterials im