jemand in der Stadt etwas gegen die Juden, so solle er sein Recht bei den Hauptleuten des Landes suchen. Aufstand und ein selbständiges Vorgehen werde er nicht dulden. Am 20. Jänner 1492 erließ er von Ofen aus einen ähnlichen Befehl an den Rat. Die dem Tempeldiener zur Last gelegte Feuersbrunst von 1480 und die daraus entstandenen Verdrießlichkeiten, ferner einzelne beim Budweiser Stadtgerichte und beim Kammerrechte anhängig gemachte Klagen brachten den Stein noch mehr ins Rollen. So> hatte Siegfried von Pernlesdorf gegen die Budweiser Juden Moises und David vor dem Kammerreohte (1491) deshalb geklagt, weil diese noch nach dem Verbote des Königs Geld weggeborgt hätten. Die Juden konnten jedoch das Gegenteil beweisen und der König wies die Klage ab. Diese Angelegenheit hatte sich ziemlich lange hingezogen, da sie am 7. Feber d. J. bis zur Anwesenheit des Königs in Böhmen vertagt worden war. Die Belästigungen der Juden hörten nicht mehr auf. Am 6. Mai 1494 sah sich Wladislaw schon wieder genötigt, seine „Kammerknechte" in Schutz zu nehmen. Man hatte in Budweis am Karfreitage unter dem Vór-wande, daß die Juden das Leiden Christi verspottet halten, eine kleine Judenverfolgung veranstaltet. Wladislaw rügte dieses selbständige Vorgehen abermals strengstens, verwies die Bürger bezüglich ihre Rechtsschutzes an die über die Stadt eingesetzten Hauptleute und drohte Strafen an. Ein neuer Streit zwischen einem Bürger (Johannes Scheiba) und dem Juden Moises, in den sich die ganze Budweiser Judenschaft mischte, den man wiederholt durch Vermittlung im friedlichen Sinne ausgleichen wollte und in welchen schließlich der Oberstburggraf Johann von Janovic selbst eingreifen mußte, verschärfte nur die Gegensätze. Der am 19. Juli 1495 durch den Unterkämmerer Albrecht von Leskovec über königlichen Wunsch an die Budweiser ergangene Auftrag, daß sie ihre Juden alle insgesamt, oder wenn dies nicht möglich, wenigsten« Bevollmächtige derselben am 27. Juli nach Prag senden mögen, mag mit den damaligen Budweiser Vorgängen im Zusammenhange stehen, Da kam abermals ein Prozeß. Am 20. Jänner 1497 sandten nämlich die Piseker den Budweisern einen Juden, damit sich dieser wegen der gegen ihn erhobenen Vorwürfe verteidigen könne. Es war der „schwarze" David, der zweite Gatte der Witwe des Moises, der auch in den Jahren 1498—99 in den Prager Verzeichnissen der jüdischen Gläubiger erscheint. Der königliche Unterkämmerer Albrecht von Leskowec griff selbst "ein. Zunächst beauftragte er die Budweiser abermals, alle Juden nach Prag zu senden. Sie mußten vollständige Verzeichnisse ihrer Forderungen mitnehmen. Die verschwiegenen Forderungen sollten ungültig sein. Bezüglich des „schwarzen" David und jener Forderungen, die er mit seiner Frau aus dem Nachlasse ihres ersten Gatten übernomnien hatte und die beim „Herrn Georg" und anderen über 1000 Schock betrugen, ordnete er an, diese Angelegenheit jetzt ruhen zu lassen, da er mit den in Prag anwesenden Juden und den städtischen Abgesandten selbst verhandeln wolle. Auch der „schwarze" David solle ohne seinen Befehl nichts weiter unternehmen. In diese Zeit fällt auch ein königl. Handschreiben an Peter von Rosenberg (1498, 5. Aipril, Ofen), worin dieser bevollmächtigt wird, von jenen Juden, die einen höheren Wucherzins nahmen, als der König in seiner Judenordnung von 1497 festgesetzt hatte, die hiefür bestimmte Geldstrafe einzuheben. Jetzt begannen umgekehrt die Juden in Budweis gegen die Bürger aufzutreten und diese mit unnötigen Klagen vor dem Kammerrechte zu belästigen. Die Nörgeleien wurden gegenseitige. Das königliche Sendschreiben vom 7. April 1501 (Öfen) an den Unterkam, merer Albrecht von Leskovec verlangt sein Einschreiten dagegen, daß die Budweiser Juden mit geringfügigen Sachen Vorladungen vor den Prager Burggrafen verlangen; während sie ihre Angelegenheiten doch zunächst vor dem heimischen Bürgermeister und den Geschworenen auszutragen versuchen sollten. Andererseits muß Wladislaw im nämlichen Jahre (18. Juni, Ofen) wiederum dem Rate befehlen, daß .sie die Rechte und Freiheiten ihrer Juden achten und .nicht verletzten. Der böhmische Landtag von 1501 (6. August) traf ebenfalls Anordnungen zu Gunsten der Juden. Er beschloß zunächst, daß die Judenschaft von Böhmen jährlich 500 Schock und nicht mehr an die königliche Kammer abführen, sonst aber steuerfrei sein solle. Außerdem würde den Juden für ewige Zeiten versprochen, daß, wenn sich ein Jude etwas zuschulden kommen lasse, nur dieser und nicht auch die anderen gestraft werden sollen. Die alten Rechte der Juden wurden neuerdings bestätigt. Alle diese Schutzmaßnahmen konnten den Lauf der Dinge in Budweis nicht mehr aufhalten. Die Juden sorgten selbst dafür, daß Rat und Bürgerschaft in fortwährender Aufregung gehalten wurden. Johann und Przibyk von Brzezi brachten nämlich eine Klage ein, daß jene Sachen, die ihr Koch gestohlen habe, bei einem Budweiser Juden versetzt wurden. Sie verlangten ihre Herausgabe. Man leitete das peinliche Verfahren bei Heinrich von Neuhaus in Neuhauis ein, wozu die Budweiser nach einem alten Privilegium ihren Henker liehen. Abgeordnete des Rates wohnten dem Gerichtsverfahren bei. Der Koch gestand dabei, die Sachen um 10 Fl. versetzt zu haben. Man wollte die Sache durch einen regelrechten Gerichtsprozeß in die Länge ziehen, Johann und Přibyk aber erklären es mit Rücksicht auf das Geständnis ihres Dieners für überflüssig. Er habe zwar den Tod verdient, doch wolle er ihm das Leben schenken, nur verlange er von dem Juden vollen Ersatz des Schadens und der Auslagen. König Wladislaw gab den Budweisern (1506, 16. März, Ofen) ") die Erlaubnis, alle Juden auszuweisen, und das Recht, keine mehr aufzunehmen. Über die Austreibung der Juden ist nirgends eine gleichzeitige Aufzeichnung zu finden. Nur in der Chronik von Seyser wird hiezu bemerkt7), daß die Juden „von den gegen sie aufgebrachten Bürgern in aller Eile durch das Vordermühltor derart aus der Stadt gejagt" worden seien, daß einige in der Eile in das Wasser fielen und ertranken. Aus den Schicksalen der Judengasse seien die Feuerbrünste hervorgehoben, von denen sie heimgesucht wurde. Die Chroniken berichten zunächst übereinstimmend: „1480 den Freitag nach Margarethe (14. Juli) ist die 'Judengasse abgebrunnen." Dieses Brandunglück brachte großen Zwist in die Stadt. Man beschuldigte die Juden, daß sie die Urheber des Brandes gewesen seien, diese aber gingen wieder zum Unterkämmerer und schließlich gab es vor dem Stadtgerichte große Auseinandersetzungen. Wolfgang Tepl-hauser (1482: Nr. 241 in der Judengasse) und seine Genossen erhoben gegen die Judenschaft die Klage, daß sie sich hinter dem Rücken des Rates mit einem für die Kläger ehrenrührigen Briefe an den Unterkämmerer in Prag gewendet hätten. Die Juden konnten den Beweis erbringen, daß dies nicht wahr sei und die Kläger wurden abgewiesen. Zwei Tage später (17. Oktober) erhoben Teplhauser und Genossen wieder die Klage gegen die Judenschaft, daß sie die Ursache des Brandes sei, der in der Judengasse ausbrach und großen Schaden anrichtete. Auch diese Klage C. Budějovice'3 46 Böhm. Budweis 3 wurde in dieser Form zurückgewiesen, denn die Schuld fiel schließlich auf den „Schuelklopfer" (in unum ex nomine Schuolklopfar). gegen den die Klage zu erheben man den Bürgern freistellte. Welchen Schaden diese Feuerbrunst anrichtete, ist nicht bekannt. Der zweite Brand, welcher die Judengasse heimsuchte, datiert vom 4. Juni 1597. Das Feuer kam beim Goldschmiede Wilhelm Schlechta (Eck der Domherrngasse, gegenüber der Volks- und Bürgerschule, heute Domherrnwohnung) zum Ausbruche, griff rasch weiter und äscherte 74 Stadthäuser und 8 Höfe in der Vorstadt ein. Die Niklasgasse, Pfaffengasse und^ Judengasse wurden am ärgsten mitgenommen. Die Synagoge, die wenige Jahre vorher in Bürgerbesitz übergegangen war, brannte ebenfalls nieder. Der Rat brachte am 14. Juli ein Majeslätsgesuch um Steuernachlaß ein, der den Abbrändlern auch tatsächlich gewährt wurde; Manche der Häuser lagen viele Jahre in Trümmern. Der dritte große Brand, durch den die Judengasse in Mitleidenschaft gezogen wurde, war jener vom 24. Juli 1641, welchem 226 Häuser, 64 Höfl und Scheuern, die Pfarrkirche, das Wenzelsspital, das Prager Tor und andere Mauertürme zum Opfer fielen. Jahrzehnte vergingen, ehe dieser große Brandschaden verschmerzt war. Die Juden kehrten nicht mehr nach B. zurück. Die einzige Ausnahme, die ihnen der Rat am 18. Juni 1538 gestattete, war der Zutritt zu den Märkten. Es heißt darüber, daß man die Frage aufgeworfen habe, ob die Juden während der Jahrmarktszeit wieder in die Stadt gelassen werden sollen? Der Rat entschied im günstigen Sinne, weil, sobald die „Freiung" geläutet werde, ein jeder freie Mann Zutritt zum Markte habe und weil es ihnen ehemals auch nicht verboten war, hauptsächlich aber deshalb, weil die Neuchristen und Lutheraner ebenfalls zugelassen wurden, die doch schädlicher als die Juden seien. Warum solle man es den Juden verwehren, da sie dem Volke höchstens an dessen Besitze, aber nicht wie die Lutheraner an der Seele Schaden zufügen. Als man, um für einen Neubau Platz zu -schaffen, im April 1908 das Haus Nr. 219 zu demolieren begann, stieß man auf die Spuren des alten jüdischen Tempels. Man ließ bei der Abtragung die größtmöglichste Sorgr falt walten und so wurde es möglich, aus den aufgefundenen. Überresten nicht nur die genaue Lage, sondern auch die Größe, Bauform und Ausschmückung des alten Tempels festzustellen. . Die Budweiser Synagoge war ein gotischer Bau von 32'5 nv Grundfläche (5 m breit "und 6'5 in lang) und etwa 7 m Höhe. Man legte beim Demolieren die vier Strebepfeiler bloß und auch die Spitzbogen, welche ehemals gegen die Mitte der Wölbung zusammenliefen, wurden deutlich sichtbar. Der Haupteingang lag seitwärts in der nördlichen Wand, ebenso befand sich in der gegenüberliegenden südlichen Wand eine größere Öffnung, wahrscheinlich eine Verbindungstür zum Nachbarhause, das vielleicht vom Rabbiner oder Tempeldiener bewohnt wurde. Auf dieser südlichen Wand wurden auch Reste der alten Malerei und einige deutlich erkennbare hebräische Buchstaben gefunden. Ungefähr in der Höhenmitte der Mauer sah man einen etwa 10 cm breiten roten Strich, darunter abwechselnd je eine Rose, etwa 15 cm im Durchmesser, und einen ebensogroßen sechseckigen Stern. Man hielt die Rosette ursprünglich für die Rose der Rosenberger, doch unterscheidet sie sich von dieser sowohl der Farbe als der Form nach. Die hier als Wandschmuck aufgedeckten Rosen, von denen ein Stück herausgenommen wurde, bestanden aus fünf runden Blättern, blaß rot, und einer gelben Kreismitte. Oberhalb des roten Striches zeigten sich in der Höhe Reste einer in Schwarz gehaltenen Malerei, die etwa einem ausgespannten Teppiche, ungefähr IV2 m breiťund I m hoch mit vier seitwärts hervorstehenden Speeren glich. Unterhalb dieser Malerei knapp über dem Striche befand sich längs der ganzen Wand eine Inschrift in großen zierlichen schwarzen Buchstaben, von denen jedoch nur drei ganz unbeschädigt waren. Diese Inschrift konnte nicht entziffert werden. Dagegen wurde ein Wort, beziehungsweise ein Satz, der sich über dieser Inschrift befand -— in vier kleinen Buchstaben rot mit schwarzem Rande — deutlich erkannt.. Es sind die Anfangsbuchstaben des Bibelspruches Ps. 34, 15: „Meide das Böse und übe das Gute." Da dies ein Bibelspruch ist, der mit drei anderen ebenfalls aus vier Worten bestehenden sehr oft vorkommt (auf alten Bettafeln usw.), so kann mit Sicherheit angenommen werden, daß auf den drei anderen Wänden eben die drei anderen Sprüche angebracht waren. Hier konnte leider nichts mehr entdeckt werden, auch auf der östlichen Wand nicht, die gewiß die meisten und interessantesten Inschriften und Verzierungen trug. Bei den häufigen Umgestaltungen, welche im Laufe der Zeit an diesem Baue vorgenommen wurden, hatte gerade diese Wand am meisten gelitten. Beim Graben im Grunde des Synagogenraumes stieß man auf "zwei Herde. In einem fand sich ein Graphitgefäß, vermutlich ein Schmelztiegel. Diese Herde stammen jedenfalls aus der Zeit, in welcher die Messerschmiede ihr Handwerk im Hause ausübten. Das Budweiser Stadtarchiv besitzt auch eine Reihe als Umsehlagdeckel oder Einbandeinlagen benutzter, mit jüdischer Schrift beschriebener Pergamentblätter, die jedenfalls aus der alten Synagoge herrühren, da -sie durchwegs dem vierzehnten oder fünfzehnten Jahrhunderte, angehören. Zwei derselben wurden bisher vom Rabbiner Herrn Dr. Karl Thieberger untersucht und dieser stellte bei einem dieser Folioblätter fest, daß es «inen Teil aus den Bußgebeten (Selichoth) für den Rüsttag zum Neujahrsfeste, aber auch ein Gebet eines unbekannten Verfassers Mose enthalte und daß außerdem die Bibelsprüche in einer ganz eigenartigen Folge verzeichnet seien. * Bis zum J. 1848 durften die Juden die Stadt B. nur gegen ein Entgelt und bloß auf einige Stunden betreten. Im J. 1849 erscheint bereits als Traitteur für die durchreisenden Juden Bernhard K o h n in der Prager Vorstadt. Als zweiter Josef Kafka. 1851 kauft Josef F a n 11 ein Haus in der Stadt, der auch der erste jüdische Hauseigentümer war. Derselbe errichtete in seinem Hause einen Betraum. Als Lehrer und Schächter wurde um diese Zeit Markus Gans aufgenommen. Erst mit der Ansiedlung des Fabrikanten Emanuel F ü r t h und der- Wahl desselben zum K. V. beginnt im J. 1858 ein jüdisches Gemeindeleben. Nach vielen Mühen und Beschwerden fand die Konstituierung der K. G. anfangs des Jahres 1859 statt. Ein bisher als Tanzlokal benutzter Saal wurde für die Abhaltung des Gottesdienstes gemietet und Dr. B o n d y als Rabbiner angestellt. Sein Nachfolger wurde Kreisrabbiner Adam Wunder (1868—1905). Gleichzeitig wurde ein Kantor und Religionslehrer aufgenommen. Im J. 1866 wurde von der Chewra-Kadischa unter Leitung ihres Obmannes Leopold Schneider ein Friedhof errichtetf. Bis dahin fanden die Beerdigungen in dem nahe gelegenen Frauenberg statt. Schon nach kurzer Zeit erwies sich der Betsaal für die rasch anwachsende Gemeinde zu klein und am 5. September 1888 fand die feierliche Einweihung der herrlichen, im gotischen. Stile von dem bekannten Architekten Max Fleischer in Wien erbauten Synagoge statt. C. Budějo Böhm. Budweis 4